Erlöst mich: Thriller (German Edition)
wenige, und die trieben sich nicht wie ich in den ungesunden Stadtvierteln herum. Ein paar vorbeiziehende Straßenhändler hatten
bereits versucht, mir ihre Waren zu verkaufen, und obwohl ich sie verscheucht hatte, hielten sie sich im Hintergrund und warteten darauf, dass mein Widerstand nachließ.
Ich habe Manila nie gemocht, und während meiner drei Jahre auf den Philippinen hatte ich die Stadt so gut es ging gemieden. Genau genommen war ich nur einmal dort gewesen, um einen Pädophilen zu eliminieren, ein Auftragsmord, den mir mein alter Freund und Geschäftspartner Tomboy Darke vermittelt hatte.
Wir beide kannten uns schon lange. Damals in London, als ich noch bei der Polizei war, hatte Tomboy Darke mir die besten Informationen geliefert. Er war ein kleiner Berufsganove, der hauptsächlich Hehlerware verscherbelte, trotzdem habe ich ihn immer gemocht. Er war ein umgänglicher, geselliger Typ, und wir zogen oft los, um zusammen ein paar Drinks zu nehmen. Er war außerdem klug genug zu wissen, worauf er sich einließ und dass insbesondere das Informantengeschäft keine langfristige Option darstellte. Als er genug Geld zusammengerafft hatte, haute er deshalb in den Sack und setzte sich auf die Philippinen ab. Es war quasi ein Vermächtnis unserer Freundschaft, dass wir auch danach den Kontakt hielten, und als mir meine Welt in London um die Ohren flog, reiste ich ihm nach und suchte ihn auf.
Und er ließ mich nicht im Stich. Als ich ihn brauchte, half er mir. Er wusste, was ich getan hatte und hätte mich einfach den philippinischen Behörden ausliefern und dabei wahrscheinlich sogar noch eine satte Belohnung einstreichen können, aber er tat es nicht. Stattdessen wurden wir Partner und betrieben diverse Geschäfte zusammen, zunächst eine Tauchschule auf der südlichen Insel Siquijor,
dann in Puerto Galera, einem Touristenresort, das nur wenige Stunden südlich von Manila liegt. Wir hatten eine Menge Spaß. Betranken uns zusammen, lachten über unsere Witze, eine Zeit lang waren wir fast wie Brüder, auch wenn er ab und zu von mir verlangte, jemanden umzubringen, um die Unternehmenskasse aufzufüllen.
Doch vor sechs Jahren war etwas Einschneidendes geschehen, etwas, das meine Meinung über ihn für immer revidierte. Ich war damals in England, wo ich eine alte Sache zu Ende bringen musste. Ich rief ihn an und stellte ihn zur Rede. Die letzten Worte, die ich zu ihm sagte, waren eine kalte Drohung: Bete, dass ich nie zurückkomme und dir einen Besuch abstatte.
Seitdem hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen, und in der Zwischenzeit hatte ich versucht, ihn und seinen Verrat zu vergessen. Doch auf dieser heißen, verpesteten Straße stehend, musste ich wieder an ihn denken. Ob er wohl noch lebte?
Ich glaubte schon. Tomboy war nicht unterzukriegen.
Ein drahtiger kleiner Kerl in einem viel zu weiten T-Shirt kurvte auf einem Moped durch den Verkehr. Als er mich sah, nickte er, zog ohne zu bremsen einen Matchsack von der Schulter und hielt ihn mir mit ausgestrecktem Arm hin.
Ich nahm ihn wie beiläufig in Empfang und ließ ihn über meine Schulter gleiten. Er fuhr weiter, und ich ging in die andere Richtung davon.
So schnell lief das ab. Eine zweisekündige Übergabe, und schon war ich bereit für den nächsten Mord.
Ich hatte mittlerweile das Hotel gewechselt, da ich nicht einmal ansatzweise in der Nähe meines gestrigen Blutbads bleiben wollte. Jetzt wohnte ich im Hilton auf der Roxas
Avenue, der Hauptverkehrsader durch die wohlhabende Bay Area. Das kostete mich zwar eine Stange Geld, aber ich ging davon aus, dass ich es bei Schagel als Spesen geltend machen konnte. Immerhin tat ich ihm einen Gefallen, wenn ich an dem Ort blieb, an dem ich gerade zwei Morde verübt hatte.
Auf dem Weg zurück ins Hilton ging ich in ein Internet-Café, das mit schnellen Breitbandverbindungen und Klimaanlage warb. Von einem jungen, Nudeln schlürfenden Burschen mit abgedrehter Frisur, der nicht einmal von seiner Suppe aufblickte, kaufte ich eine Stunde Internetzugang. In einer Ecke fand ich einen freien Computer, der weit genug von den beiden anderen Nutzern entfernt war, und loggte mich in den Hotmail-Account, den ich mit Schagel teilte.
Wie angekündigt, enthielt der Entwürfe-Ordner eine Mail mit einem JPEG-Anhang. Ich öffnete ihn und entdeckte das Porträt-Foto einer blondierten attraktiven weißen Frau Anfang dreißig mit extrem kurzen Haaren. Der Schnitt verlieh ihr ein selbstsicheres, fast aggressives Aussehen,
Weitere Kostenlose Bücher