Erlöst mich: Thriller (German Edition)
begangen.«
»Hat er nicht«, unterbrach ihn Tina, die verblüfft zur Kenntnis nahm, wie tief Milne in die Geschichte verstrickt war. »Parnham-Jones’ ›Selbstmord‹ geht auch auf das Konto von Wise. Du hast vielleicht gedacht, du hättest alle Jäger erledigt, aber den schlimmsten hast du am Leben gelassen.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Milne und wirkte verwirrt. »Ich hatte es aus einer extrem verlässlichen Quelle, dass es außer Parnham-Jones keine Überlebenden gab.«
»Was für eine Quelle?«
Milne holte tief Luft, so als zögerte er zu antworten. »Ich habe den Obersten der Jäger verhört«, sagte er schließlich. »Einen Mann namens Eric Thadeus. Ich habe ihn gezwungen, mir die Namen der anderen zu verraten. Von allen anderen. Und er hat mir die Wahrheit gesagt, denn er stand unter immensem Druck.«
Tina glaubte ihm. Etwas Unbarmherziges, Gehetztes umgab Dennis Milne. Sein Gesicht war schmal, die Falten hatten sich tief in sein gebräuntes Gesicht eingegraben, und in seinen blassblauen Augen lauerten die Finsternis der vergangenen neun Jahre und die Verbrechen, die er verübt hatte. Trotzdem sah er gut aus, wenn auch auf eine intensive brutale Weise. Sein ergrauendes Haar und die Anzeichen
der chirurgischen Eingriffe um Nase und Augen verstärkten diesen Eindruck und sorgten dafür, dass er älter aussah, als er war.
Plötzlich richtete Milne sich auf. »Warte mal. Thadeus hat mir damals noch etwas gesagt. Über ein weiteres Mitglied der Jäger, das aber vor ein paar Jahren verstorben sei. Ein Mann namens Wise.«
Tina schüttelte den Kopf. »Oh nein. Paul Wise ist quicklebendig. Aber ich habe etwas entdeckt, das ihn vernichten könnte.«
Sie fragte sich, ob es richtig war, sich Milne gegenüber zu offenbaren. Aber sie brauchte Verbündete, und im Augenblick waren die dünn gesät.
»Und was ist das?«
»Wenn du über die Jäger Bescheid weißt, kennst du auch die Vorgeschichte von Paul Wise. Er war in England in die Entführung und Ermordung eines jungen Mädchens verwickelt.«
Er nickte nachdenklich, als die Erinnerung wie ein Schatten über sein Gesicht huschte.
»Sie hieß Heidi Robes«, sagte er. »Sie war dreizehn. So lange ich lebe werde ich mich an jede Einzelheit erinnern.«
»Nun, im September 2007 verschwand in Phnom Penh ein zwölfjähriges Mädchen aus Neuseeland und wurde nie wieder gesehen. Im Jahr darauf verschwand ein dreizehnjähriges Mädchen aus Dänemark hier in Manila. Auch von ihr fand man nie auch nur eine Spur. In beiden Fällen war Paul Wise zum Zeitpunkt ihres Verschwindens im jeweiligen Land, in beiden Fällen war er achtundvierzig Stunden vorher eingeflogen und hatte das Land binnen einer Woche wieder verlassen.«
»Und du glaubst, er hat sie entführt?«
»Nicht er selbst. Dafür hat er Leute. Aber ich weiß, er steckt dahinter.«
»Irgendwelche Beweise?«
»Der Mann, der das herausgefunden hat, war ein Journalist namens Nick Penny. Wise hatte ihn nach einem Artikel bereits wegen Verleumdung verklagt. Vor drei Tagen wurde er ermordet.« Tina musste sich zusammenreißen, dass ihre Stimme nicht brach, auf einmal tauchte Nicks Bild vor ihr auf, wie er in seinem schäbigen Büro von der Decke baumelte.
»Vierundzwanzig Stunden später hat man versucht, mich umzubringen. Sicher nicht die Handlungen eines Unschuldigen, und definitiv kein Zufall.« Sie hielt einen Augenblick inne. »Wise ist jetzt in Manila.«
»Und du glaubst, er will wieder ein Mädchen entführen?«
»Etwas plant er garantiert. Nick Penny hatte Kontakt zu einem Journalisten hier, der schon einige Artikel über das Verschwinden des dänischen Mädchens 2008 verfasst hatte und über mögliche Verbindungen zu Pädophilen in Europa. Aber ich erreiche den Mann nicht, was einer der Gründe ist, weshalb ich hierhergekommen bin. Um mit ihm zu sprechen.«
Milne sah sie befremdet an. »Er heißt nicht zufällig Patrick O’Riordan?«
Tina sah ihn verunsichert an. »Pat O’Riordan, genau.« Sie fragte sich, woher er das wusste.
»Dann, fürchte ich, hast du ein Problem.«
»Was soll das heißen?«
»Schagel hat mich hierherbestellt, um O’Riordan zu töten. Gestern habe ich es getan.«
Tina war so schockiert, dass es sie schüttelte. Am schlimmsten war die ruhige, gelassene Art, mit der der Mann vor ihr soeben einen Mord eingestanden hatte. Jetzt sah er sie schuldbewusst grinsend an, ein wenig nur, wie ein Hund, der genau weiß, dass er auf den Teppich gepinkelt hat. Der Anblick erfüllte
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