Erlöst mich: Thriller (German Edition)
aus und bestätigte damit, was ich bereits wusste.
»Ich wüsste nicht, wie ich dir helfen könnte. Ich meine, wir haben uns sechs Jahre nicht gesehen.«
»Glaub mir, Tomboy, du kannst«, sagte ich und zog die Pistole.
Er bemerkte sie. Rang nach Luft. Dann ging er noch einen Schritt zurück und ließ mich, ohne die Augen von der Pistole zu nehmen, hinein.
»Dreh dich um. Reden wir irgendwo, wo’s bequem ist.«
Langsam, als würde ihn jeder Schritt schmerzen, geleitete er mich durch einen schmalen Flur, durch eine versiffte Küche, in der es nach ranzigem Fisch roch, in ein kaum weniger versifftes Wohnzimmer, das von einem gewaltigen Plasmafernseher an der Wand dominiert wurde. Halb offene Terrassentüren führten in einen überdachten Patio, dennoch lief die Klimaanlage auf voller Stärke und blies so kalte Luft in den Raum, dass man hätte Fleisch lagern können.
Er drehte sich um und wandte sich mit hängenden Schultern an mich.
»Egal, was ich früher mal gemacht habe, das ist lange her und tut mir auch unendlich leid. Echt.«
»Du meinst, die Leiche eines dreizehnjährigen von Kinderschändern zu Tode gefolterten Mädchens zu entsorgen und den Mord ihrem Vater in die Schuhe zu schieben? Das hast du doch getan, nicht wahr?«
Sein aufgedunsenes Gesicht verwandelte sich in eine schwammige Maske schrecklicher Schuld. Das konnte mich nicht beirren. Tomboy Darke war schon immer ein hervorragender Lügner gewesen, weshalb er sich als Informant
damals auch so gut gemacht hatte. Selbst die Kriminellen hatten ihm vertraut.
»Das ist lange her, Mick, ich brauchte das Geld.«
»Du hast recht, das ist lange her. Aber in der Zwischenzeit gab es noch andere Verbrechen.«
»Was soll das heißen?«
»Verarsch mich nicht, Tomboy. Du arbeitest für Paul Wise. Vor drei Tagen hast du in seinem Auftrag eine Pistole in ein Hotel in Manila geliefert. Die Pistole wurde bei einem Auftragsmord benutzt.«
Seine Augen weiteten sich. »Scheiße, Mick, warst du das?«
Ich nickte. »Ich habe für einen Typen namens Bertie Schagel gearbeitet. Aber dessen Kunde war Paul Wise. Und der wollte einen gewissen Patrick O’Riordan eliminiert haben, einen Journalisten.«
»Den hast du umgebracht? Ich hab’s in der Zeitung gelesen.«
»Hab ich. Dann merkte ich, dass ich einen Fehler begangen habe. Den ich wiedergutmachen muss, Tomboy. Ich muss Paul Wise finden, das letzte von den Schweinen, die damals Heidi Robes getötet haben. Und ich werde ihn unter die Erde bringen.«
Ich richtete die Pistole auf seinen Kopf. Er zuckte zusammen.
»Also, wo finde ich ihn?«
»Echt, Mick, bitte«, sagte er und hob abwehrend die Hände. »Ich kenne keinen Paul Wise, ehrlich nicht.«
Ich machte einen schnellen Schritt nach vorn, packte ihn am Kragen. Er wich an die Wand zurück, und ich drückte ihm den Lauf der Pistole in die Wange. Seine Augen weiteten
sich vor Panik, und sein stoßweiser Atem verströmte Wellen säuerlichen Gestanks.
»Bitte, Mick, ich sag die Wahrheit, ich schwör’s.«
Ich schob ihm die Pistole unters Auge und erhöhte den Druck. Die Kombination eisigen Schweigens mit dem kalten, tödlichen Metall auf der Haut würde Wunder wirken. Es dauerte nicht lange, und er sprudelte.
»Den Namen Paul Wise hab ich schon mal gehört, okay, das gebe ich zu, aber ich weiß nicht, wer er ist, geschweige denn, wo er sich aufhält, ich schwöre. Ich arbeite für einen Mann namens Heed. Er hat mir gesagt, wohin ich die Pistole bringen sollte, und vielleicht arbeitet er ja für Wise, genau sagen kann ich das nicht. Du musst mir glauben, Mick.«
»Woher kennst du Heed?«
»Schon lange. Er schaute manchmal hier vorbei. Wir kamen ins Gespräch. Ich sagte, ich könnte immer einen Job gebrauchen, die Tauchschule lief ja nur schleppend. Und er meinte, er könne mir was besorgen.«
Ich tat so, als würde ich mich im Zimmer umsehen, ließ ihn aber keine Sekunde aus den Augen. »Offenbar zahlt Mr. Heed ganz gut.«
»Ich mach auch noch andere Sachen.«
»Ah ja? Für wen hast du denn dann das kleine Mädchen entführt?«
»Wovon redest du?«
»Gestern habe ich einen Artikel über ein dreizehnjähriges dänisches Mädchen gelesen, Lene Haagen. Sie wurde im Sommer 2008 aus einem Hotelzimmer in Manila verschleppt. Patrick O’Riordan hat ihn geschrieben. Darin steht auch, dass Zeugen einen Westler gesehen haben, der
in den Tagen vor ihrem Verschwinden in der Hotellobby herumhing. Die Beschreibung passt exakt auf dich. Übergewichtig, lange blonde
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