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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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besaß? Hat sie durch den Schock das Bewusstsein verloren, sodass die Schmerzen ihr nichts anhaben konnten? Hat sie durch die Qualen vorübergehend die Sprache verloren?«
    Â»Kein Mensch hält so was aus«, warf Schröder ein. »Er redet!«
    Â»Das alles habe ich mich auch schon gefragt«, sagte Ella. »Wie ist es möglich, dass jemand so lange nichts sagt, wenn man ihn bei lebendigem Leib so zurichtet? Entweder wusste sie wirklich nichts – oder – «
    Â»Oder? Wie geht Ihre Theorie weiter?« Aziz starrte sie mit seinen schwarzen, glänzenden Augen an, als wollte er hinter ihre Stirn sehen, und sogar Schröder öffnete die Lider wieder. Die Atmosphäre in dem hell erleuchteten Raum schien plötzlich elektrisch aufgeladen.

    Â»Sie wusste, dass er sie töten würde«, sagte Ella leise. »Sobald sie ihm sagte, was er wissen wollte, sobald er ihr das Geheimnis entrissen hätte, würde er sie töten. Sie hat all diese Qualen erduldet, um am Leben bleiben zu können. Deswegen hat sie so lange durchgehalten, weil sie nicht sterben wollte.«
    Sie schwieg erschöpft, ein neues, anderes Schweigen. Auch die Männer schwiegen wieder. Sie versuchte in ihren Gesichtern zu lesen. Was denkt ihr wirklich?
    Schröder brach das Schweigen zuerst. »Das ist alles?«, fragte er. »Mehr haben Sie uns nicht zu sagen?«
    Â»Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß.«
    Â»Sie haben uns alles gesagt, was Sie zu wissen glauben oder meinetwegen auch, was Sie zu wissen behaupten «, sagte Schröder. »Sie sind aber gleichzeitig auch der einzige Mensch, dessen Fingerabdrücke außer denen des Toten am Tatort gefunden wurden, an beiden Tatorten, um genau zu sein.« Er breitete die Hände aus und legte sie vor sich auf die Tischplatte, als wollte er zeigen, wie armselig seine Ausbeute bisher war. »Finden Sie nicht, dass das alles etwas merkwürdig klingt? Diese halb tote Patientin, die vor ihrem geheimnisvollen Verschwinden aus der Klinik nur Sie und Ihr Rettungsassistent gesehen haben …«
    Erst jetzt fiel Ella auf, dass an der Kamera auf dem Stativ neben der Tür ein winziges rotes Lämpchen glühte. Was bedeutete das? Nahm die Kamera ihr Verhör auf oder übertrug es in einen anderen Raum? Lief sie schon die ganze Zeit? Wer befand sich in dem anderen Raum?
    Â»Es gibt sie aber doch!«, rief sie, der Kamera zugewandt. »Der Mieter aus dem zweiten Stock hat mir geholfen, sie hinunterzutragen, und mehrere Leute vom Klinikpersonal haben sie ebenfalls gesehen – «
    Â»Wie praktisch, dass ausgerechnet in dieser Nacht wegen des
Brands in der Disco alles drunter und drüber ging in der Notaufnahme«, sagte der Hauptkommissar. »Da wurden doch sicher haufenweise Schwerverletzte eingeliefert?«
    Ella gab sich Mühe, ruhig zu bleiben, aber sie spürte, wie sie ihre Ruhe verließ; wie sie selbst zornig wurde. Bleib ruhig, ermahnte sie sich , das wollen sie doch nur; sie wollen, dass du wütend wirst.
    Unvermittelt schrillte das Telefon auf dem Tisch. Einmal, zweimal, dreimal. Aziz und Schröder starrten den Apparat an, ohne sich zu rühren, fast als hätten sie den Anruf erwartet. Es schrillte weiter – viermal, fünfmal, sechsmal. Als wüssten sie schon, wer sie sprechen will und was er ihnen zu sagen hat , dachte Ella. Kommt daher Schröders Zorn?
    Und da endlich begriff sie. Sie begriff es, weil das Telefon klingelte. Sie begriff, dass sie hier in diesem hell erleuchteten Raum in einer tödlichen Falle saß. Die Mörder waren nicht nur draußen auf den Straßen; wenigstens einer von ihnen hatte Zutritt zu diesem Gebäude. Sein Name lautete vielleicht nicht Kleist, und wahrscheinlich war er auch kein Hauptkommissar. Aber er wusste wieder, wo sie sich aufhielt. Nach dem achten Klingeln schwieg das Telefon, aber Ella kam es vor, als schrillte es weiter, bis ihr Gehirn wund war. Sie hörte es noch klingeln, als es längst still war, und dann hatte sie auf einmal auch die Antwort auf die Frage, warum das Telefon in Max’ Wohnung genau in dem Moment geklingelt hatte, als sie mit der Polizei verbunden worden war.
    Â»Ich möchte sofort mit einem Anwalt sprechen«, erklärte sie.
    Ich brauche jemand, der mich hier sieht, jemand, der weiß, dass ich hier bin.
    Hauptkommissar Aziz nickte, langte über den Tisch nach dem Telefonhörer und fragte: »Jemand

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