Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ermittler in Weiß - Tote sagen aus

Ermittler in Weiß - Tote sagen aus

Titel: Ermittler in Weiß - Tote sagen aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgan Dürwald
Vom Netzwerk:
werden. Eine genaue Betrachtung der Zerreißung am Mantelkragen ließ die Vermutung zu, dass der Körper gewissermaßen am Mantelkragen aufgehängt war, nachdem sich ein Gegenstand unter den Kragen gebohrt hatte. Als Aufhängungsgegenstand kam der vordere Zughaken der Lokomotive infrage, zumal daran bei der Besichtigung an der Unfallstelle Textilfasern vom Mantel gefunden worden waren. Die Blutuntersuchung ergab einen Alkoholgehalt von nahezu zwei Promille. Damit war auch klar, warum der Getötete den Zug nicht bemerkt hatte, zumal es in dieser Nacht sehr stürmisch war. Der Unfall hatte sich offenbar folgendermaßen abgespielt: Der Verunglückte befand sich nach einem ausgiebigen Zechgelage auf dem Heimweg. Um abzukürzen, ging er unerlaubter Weise auf den Eisenbahngleisen. Infolge der lauten Windgeräusche und wahrscheinlich auch wegen seiner starken Alkoholisierung hörte er den von hinten kommenden Zug nicht, sodass ihn dieser mit voller Geschwindigkeit anfuhr. Beim Anprall bohrte sich der vordere Zughaken der Lokomotive in seinen Mantel und hängte ihn gewissermaßen am Mantelkragen auf. In dieser hängenden Lage befand er sich, bis der Zug im Bahnhof einfuhr. Wie sich hinterher herausstellte, hatte er etwa 20 Kilometer an dem Haken gehangen. Dabei waren die Beine immer wieder auf die Bahnschwellen aufgeschlagen und die Knochen bis hinauf zum Kniegelenk völlig zertrümmert worden. Erst als der Zug hielt, war der Mantelkragen gerissen und der Körper auf die Schienen gelangt. Auf den Gleisen - Unfall, Selbstmord oder Mord? An einem trüben Februarmorgen vertrieb leichter Nieselregen die letzten Reste des Schnees, der bis vor wenigen Tagen noch an den Straßenrändern gelegen hatte. Ich war an diesem Tag etwas spät dran, es war schon nach acht Uhr, als ich aus der Wohnung zur Garage ging, um den Wagen herauszufahren. Wir hatten eine Sektion in Weimar zugesagt, die um zehn Uhr beginnen sollte. Bei der relativ kurzen Fahrstrecke war durchaus noch genügend Zeit. Ich hatte gerade das Garagentor aufgeschlossen, als meine Frau aus dem Fenster rief: »Telefon für dich, ein dringender Anruf.« Ich ging also wieder ins Haus. Ein Staatsanwalt der Bezirksstaatsanwaltschaft Erfurt war am Apparat. »Herr Oberarzt wir brauchen dringend Ihre Hilfe. Die gerichtliche Sektion einer Eisenbahnleiche, bei der es einige Unklarheiten gibt. Es wäre uns sehr lieb, wenn Sie gleich kommen könnten.« Ich setzte ihn über die für den Vormittag bereits zugesagte Sektion in Weimar in Kenntnis. Aber nach kurzer Verständigung wurde entschieden, dass der neue Fall wichtiger sei und Vorrang hätte. Mit der Staatsanwaltschaft in Weimar würde man die Verschiebung der anderen Sektion regeln. Also sagte ich für den gleichen Vormittag zu. Nachdem ich und meine Mitarbeiter die Instrumente eingeladen hatten, fuhren wir los und erreichten nach knapp einer Stunde den Zielort. Die Leiche war inzwischen in den Sektionsraum des Friedhofes gebracht worden. Es handelte sich um die Leiche einer 24jährigen Frau, die in den frühen Morgenstunden auf einer viel befahrenen Eisenbahnstrecke im Stadtgebiet von Erfurt gefunden worden war. Auf den ersten Blick sah es nach einem Unfall aus. Auch die Transportpolizei war zunächst von dieser Annahme ausgegangen, weil am Auffindungsort der Leiche ebenfalls alles dafür sprach. Beide Beine, der rechte Arm und die linke Hand waren vom Rumpf getrennt, offensichtlich abgefahren; der Schädel wies massive Zertrümmerungen auf. Die Schädelhöhle war breit eröffnet und das Gehirn teilweise herausgefallen. Die Kleidung zeigte sich völlig zerfetzt. Die Leichenteile lagen auf einer Strecke von etwa 60 Metern innerhalb und auch außerhalb des Schienenstrangs verstreut. Solche Verletzungen sieht man, wenn jemand im Gehen oder Stehen vom Zug angefahren wird, wobei die Tatsache, dass die Tote wahrscheinlich von hinten angefahren worden war, gegen einen Selbstmord sprach. Als wir zur Sektion eintrafen, waren die Personalien der Frau zunächst nicht bekannt. Schon bei der äußeren Besichtigung bemerkte ich aber eine Verletzung, die alle bisher angestellten Vermutungen über den Haufen warf. Im Nacken war eine rundliche Öffnung von etwa 5-6 mm Durchmesser zu sehen, bei der es sich eindeutig um eine Einschussöffnung handelte. Der hierfür typische Schürfsaum zeichnete sich ganz deutlich ab. Einsprengungen von Pulverteilchen oder ein Schmauchhof waren nicht vorhanden, sodass es sich nicht um einen Nahschuss handeln konnte.

Weitere Kostenlose Bücher