Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel
nach oben und fing Livs Blick ein, die mit einem Mal die Kälte bemerkte, die durch ihren ganzen Körper fuhr.
»Sie wissen schon, so ein Skalp wie bei den Indianern«, sagte er, ohne die Augen von Liv abzuwenden.
Er rauchte ruhig weiter, während er erzählte, dass sie gezwungen waren, die Frau zu erschießen. Sie war tatsächlich noch am Leben gewesen.
»Wir haben sie getötet, wie man ein verletztes Tier tötet. Sie wäre so oder so gestorben. Wir hielten es für das Barmherzigste.«
Liv seufzte tief und fuhr sich mit der Hand durch die verwuschelten Haare. Dann lehnte sie sich auf dem Stuhl zurück. In den letzten Tagen waren sie reichlich mit Krieg und Tod konfrontiert worden.
»Haben Sie Ihrem Vorgesetzten nicht berichtet, was Sie an diesem Tag gesehen haben?«
»Als ich mir ihr Blut von meiner Uniform gewaschen habe, habe ich zu meinem Unteroffizier gesagt, dass ich Hilfe brauche.«
»Was hat er daraufhin geantwortet?«
Christian Kragh schaute Liv erneut an.
»Krieg‘ den Sand aus deiner Fotze.«
»Was hat er damit gemeint?«
»Dass ich ein Weichei sei. Er hat mich einen Homo genannt und gesagt, ich soll mich zusammenreißen, damit die anderen nicht herausfinden, was für ein Schwächling ich bin. Man kann andere nicht führen, wenn man Angst zeigt, hat er mich gelehrt. Ich habe nie mit jemandem darüber gesprochen.«
Liv seufzte tief und drückte ihre Zigarette aus, bevor sie fragte, welche Gedanken ihm durch den Kopf gegangen seien, als er den Albino auf dem Rastplatz im Auto gesehen habe.
Kragen starrte auf seine Hose hinunter, während er sich mit der Hand an die Stirn fuhr und den Kopf schüttelte. Sie sahen Tränen auf seine Jeans tropfen und große, nasse Flecken hinterlassen, aber es kam kein Ton über seine Lippen. Die Zigarette brannte runter, und Liv nahm sie ihm aus der Hand, bevor er sich verbrannte.
Sie ließen ihn ein paar Minuten in Ruhe, bevor er von alleine fortfuhr.
»Verdammt, Mann … ich bin total Amok gelaufen … ich habe allen einen riesen Schrecken eingejagt. Mir inklusive. Ich habe getobt und geschrien, dass sie es tun sollten. Habe Lorentzen dazu gezwungen. Geschrien, er sei ein Schisser, ein Schwächling, wenn er es nicht tut. Und jetzt ist er weg.«
Er blickte mit blutunterlaufenen Augen hoch.
»Verdammt … ich wusste doch, dass das verkehrt war.«
Sie waren an einem Punkt angelangt, an dem Liv nicht mehr mitkam. Vielleicht sollte sie aber auch nicht mehr verstehen.
Christian Kragh erklärte, dass Christoffer Lorentzen anschließend in Panik geraten war, weil er überzeugt war, dass sie wegen Mordes im Gefängnis landen würden. Dann war Dyreberg auf die Idee gekommen, die Leichenreste mit Kalk zu überschütten, damit das Ganze weggeätzt wurde. Das hatte er mal in einem Film gesehen. Er war sich sicher, dass das nie herauskäme. Wenn sie alles vergruben, würde der Kalk die Reste beseitigen.
»Aber das ist missglückt. Es war der falsche Kalk«, sagte Liv.
Roland schob den Stuhl polternd nach hinten und stand auf. Er ging ein paarmal auf und ab, schaute sie an und sagte:
»Ich habe genug gehört, du nicht auch?«
»Ja«, lautete ihre Antwort, während sie die Mappe zuklappte und auf ihren Block legte. Nachdem sie aufgestanden war, drehte sie sich ein letztes Mal zu Kragen um.
»Nur noch eins. Warum hatte Jacob Adamsen gestern Abend eine Pistole bei sich?«
»Das kommt hin und wieder vor«, antwortete er. »Um die Spannung zu erhöhen. Einer ist der Joker.«
»Der Joker?«
»Ja, eine Überraschung, von der wir nicht wissen, was es ist oder wann sie eintrifft. Das erhöht die Spannung für diejenigen, die Henker spielen. Man weiß nie, wann man selbst zum Opfer wird.«
»Und Jacob Adamsen war an diesem Abend der Joker?«
»Ja, das habe ich mit ihm abgesprochen, als er am Morgen aus dem Krankenhaus angerufen und gesagt hat, er wolle dabei sein.«
»Er sollte Sie mit der Pistole in der Hand überraschen?«
»Ja, die Waffe wählt man aber selbst aus. Das ist jedem freigestellt. Er muss sie aus der Waffenkammer geholt haben.«
»Und sollte er auch auf Sie schießen oder was?«
Kragen zuckte mit den Schultern und sah sie mit leerem Blick an. Er wusste es nicht nur nicht, es war ihm auch vollkommen egal, dachte Liv und ließ ihn allein.
Roland drehte sich zu ihr um, als sie den langen Flur entlanggingen, und bat sie zu veranlassen, dass gegen Oberst Bechmann Anklage erhoben wurde. Liv nickte, während sie ein paar Kollegen den letzten gekochten Kaffee
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