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Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel

Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel

Titel: Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Therese Philipsen
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an diesem Tag nicht geflohen, hätte er das gleiche Schicksal wie die anderen Männer der Stadt erlitten. Und ich auch.«
    »Erschossen im Stadion der Stadt«, sagte Liv und studierte den jungen Mann, der soeben eine grausame Familientragödie während des abscheulichsten und grauenerregendsten Ereignisses der neueren europäischen Geschichte vor ihr aufgezeichnet hatte. Was für ein Start ins Leben.
    Safet nickte.
    »Ich habe nie verstanden, warum ich den Angriff in dem Haus überlebt habe. Esad hat geglaubt, dass ich mich versteckt hatte. Darauf werde ich sicher nie eine Antwort bekommen. Außerdem erinnere ich mich an nichts. Mein Gehirn hat sich allem Anschein nach entschieden, alles zu verdrängen, das sagt jedenfalls Mogens.«
    »Sind die Männer, die Ihrer Mutter das angetan haben, jemals gefunden worden?«
    »Nein.«
    Sie schaute ihn mit einem mitleidigen Blick an.
    »Sie brauchen nichts zu sagen«, kam es hart von ihm.
    »Sie bedauern meinen Verlust, das weiß ich. Das tun alle.«
    Zwischen ihnen machte sich Schweigen breit. Es war gemütlich und nett in der Küche der Familie Andersen. Neben Safets Stundenplan an dem Kühlschrank aus gebürstetem Stahl hatten sie ein Bild von Safet aufgehängt. Liv bekam den Eindruck, sie sahen in Safet ein Geschenk und keine Belastung. Darüber war sie froh.
    »Wie alt waren Sie, als Ihr Vater Ihnen diese Geschichte erzählt hat?«
    »Zehn Jahre. Bis dahin hatte er nur gesagt, dass meine Mutter während des Krieges getötet wurde. Aber ich hatte ihn darum gebeten, die Wahrheit zu erfahren.«
    »Das muss heftig gewesen sein«, sagte Liv und dachte, dass so eine Bitte für einen zehnjährigen Jungen recht mutig gewesen war.
    Safet saß still da und starrte Liv an. Er biss sich leicht auf die Unterlippe.
    Das Essen hielt er ruhig in den Händen, seit Liv die erste Frage zum Tod seiner Mutter gestellt hatte.
    »Nicht so heftig wie das, was ich mir vorgestellt hatte. Man bekommt keine Ruhe, wenn man nicht die Wahrheit weiß«, sagte er dann.
    »Sie meinen, dass es das Schlimmste ist, in Ungewissheit zu leben?«
    Gar nicht davon zu reden, dass er jemandem ähnelte, der die Last der ganzen Welt auf seinen Schultern trug.
    »Genau.«
    Sie saßen lange da, ohne etwas zu sagen oder sich anzusehen.
    »Was mir ein schlechtes Gewissen bereitet, ist, dass ich seine Angst nie richtig verstanden habe.«
    Liv schaute ihm in die Augen, und er senkte den Blick.
    »Ich erinnere mich selbst nicht an diesen Krieg, nur an Bruchstücke, die meistens in meinen Träumen auftauchen. An Tagen, an denen Esad Angst hatte, jemand würde ihn verfolgen, habe ich mich gern über ihn lustig gemacht und gesagt, dass er sich lächerlich macht.«
    Safet schaute aus dem Fenster, als wollte er ihrem Blick nicht begegnen.
    »Dafür schäme ich mich jetzt«, sagte er dann und schloss die Augen.
    »Sie wissen aber nicht, wer hinter ihm her gewesen sein kann? Oder vor wem er Angst hatte?«
    Safet starrte aus dem Fenster, während er den Kopf schüttelte.
    Liv seufzte.
    »Hatte er viele schlechte Tage?«
    »Im vergangenen Jahr ist es schlimmer geworden. Er hat die ganze Zeit nur gearbeitet, um nicht nachdenken zu müssen. Deshalb haben wir uns auch nie gesehen.«
    Liv lehnte sich auf dem Hocker zurück. Sie fing den Blick des Jungen ein und hielt ihn fest. Dann knallte sie laut ihre Gabel auf den Teller. Safet schaute sie erschrocken an.
    »Hören Sie auf, Safet. Ich habe mit Marie, Ihrer Haushaltshilfe, gesprochen, und sie hat mir gesagt, dass Sie nie miteinander gesprochen haben. Seit Jahren nicht. Dass Sie wie Feinde gewirkt haben. Es ist okay, wenn Sie mir das nicht erzählen wollen. Aber lügen Sie mich nicht an, indem Sie sagen, dass Sie beide viel zu tun hatten. Das kaufe ich Ihnen nicht ab.«
    Safet schaute sie wie versteinert an.
    Sie seufzte erneut.
    »Sie gehen jetzt wohl besser«, sagte er.
    Liv nahm ihren Hut vom Tisch und stand auf.
    »Ich muss Sie nur noch fragen, ob Sie wissen, ob Ihr Vater etwas mit der Kaserne zu tun hatte?«
    »Mit der Kaserne? Nein … doch, er war der Arzt der Frau Oberst da draußen. Ich habe sie hin und wieder mit einem oder mehreren Kindern im Wartezimmer sitzen sehen.«
    Sie machte eine Pause und sah Safet an, der mit hochgezogenen Schultern dasaß.
    Sie klopfte ihm mit einer Hand auf die Schulter.
    »Wir werden denjenigen schon finden, der Ihrem Vater das angetan hat«, sagte sie, zog ihre Lederjacke an und ging.
    Und das meinte sie auch so, dachte sie im Fahrstuhl nach

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