Ernst Bienzle 14 - Bienzle und die lange Wut
Schiffschaukel, Kinderkarussells, Polyp und Achterbahn, Schießbuden, Stände mit gebrannten Mandeln und Zuckerwatte, aber auch mit Planen überspannte Verkaufstische mit Schürzen, Jogginganzügen, Tischdecken und anderen Textilien – es war ein Festplatz, wie er zur Zeit an allen Wochenenden in vielen Dörfern zu finden war.
Joe hielt an, alle drei stiegen ab. Joe bockte die Maschine auf.
Mascha fragte Patrick: »Was wollen wir fahren?«
Der Junge war in einer seltsamen Stimmung. Einerseits fand er ganz spannend, was passierte, seitdem Joe erschienen war. Andererseits wurde er die Furcht vor den beiden nicht los. Ohne etwas zu sagen, zeigte er mit ausgestrecktem Arm auf den Polypen.
»Okay«, sagte Mascha, »und nachher kaufen wir uns Zuckerwatte.«
»Lieber eine Wurst«, sagte Patrick.
Joe trat auf einen Mann zu, der aus dem Bierzelt kam und nicht mehr ganz sicher auf den Beinen war.
»Hallo«, sagte Joe.
»Kennen wir uns?«, fragte der Mann.
»Nein, leider nicht. Ich muß mal ganz dringend telefonieren, hast du ein Handy?«
»Ja, schon, aber...«
»Ich zahl dir auch die Gebühren.«
Der Mann musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen. »Ich kenn dich doch irgendwoher.«
Joe sagte geistesgegenwärtig: »Schaffst du auch beim Rübenach?« Er hatte das Firmenschild am Ortseingang gesehen.
Der andere schüttelte den Kopf. »Beim Daimler in Untertürkheim. Scheißfahrerei jeden Tag!«
»Also, leihst du mir jetzt geschwind dein Telefon? Ich zahl dir auch ein Bier... zusätzlich zu den Gebühren.«
»Das ist doch ein Wort.« Der Mann reichte ihm sein Handy.
Joe ging etwas zur Seite und wählte. Der Mann stolperte hinter das Bierzelt, um zu pinkeln.
Gächter schenkte gerade für Bienzle ein Bier ein, als das Telefon läutete. Die Fangschaltung im Nebenzimmer lief an. Gächter verständigte sich stumm mit den Kollegen. Dann nahm er ab. »Gächter hier.«
»Heut Abend, neun Uhr. Sagen Sie mir Ihre Handynummer, damit ich Ihnen die Anweisungen geben kann.« Das war Joes Stimme.
»Joe, stellen Sie sich. Sie waren es doch gar nicht«, sagte Gächter. Er deckte die Muschel ab und sagte zu den Kollegen: »Der muß auf einem Volksfest oder was Ähnlichem sein!«
Bienzle nickte. Auch er hatte über die Lautsprecher die typischen Geräusche wahrgenommen.
Joes Stimme war wieder zu hören. »Ey, Bulle, laber nicht rum! Wir sitzen jetzt am längeren Hebel.«
»Ich will Patrick sprechen«, sagte Gächter.
»Das geht grade nicht. Aber machen Sie sich keine Sorgen.«
Joes Blick ging zu dem Polypen hinüber. Mascha und Patrick saßen eng aneinander geschmiegt in einer der Kapseln. Der Polypenarm kreiste wie verrückt und bewegte sich gleichzeitig auf und ab, während die Kapsel sich auch noch um sich selber drehte. »Dem geht’s richtig gut, er hat sogar ’ne Menge Spaß«, rief Joe. »Trotzdem, wenn die Kohle heut Abend nicht rüberwandert, können Sie jetzt schon mal ein Kindergrab bestellen!«
In den Relaisstationen der Telefongesellschaft arbeiteten die Techniker fieberhaft. Sie wußten inzwischen, daß der Anruf von einem Handy kam, sie hatten das System geortet, und nun war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie über den Satelliten zurückverfolgen konnten, wo das Gespräch herkam.
Der Handybesitzer kam hinter dem Zelt hervor und schloß umständlich seinen Hosenladen.
Gächter sagte ins Telefon: »Sie sind doch clever, Joe. Also wissen Sie auch, daß es ohne ein Lebenszeichen des Jungen nicht geht.« Der Kommissar suchte mit den Augen immer wieder die Blicke der Kollegen.
Einer nickte ihm heftig zu und machte eine Geste, dazu formulierte er stumm: »Weiterreden, immer weiterreden!«
»Glauben Sie mir doch einfach«, hörten sie wieder Joes Stimme.
Unvermittelt schrie Gächter ins Telefon: »Ich will mit Patrick reden, ist das jetzt klar?«
Hinter Joe stiegen Mascha und Patrick aus dem Polypen aus. Mascha war schwindlig. Sie schwankte nicht weniger als der Besitzer des Handys, der auf sein Telefon wartete.
Joe winkte Patrick heran. »Da, dein Onkel... Aber nicht verraten, wo wir sind!«
»Onkel Günter?«
Gächter sah aus, als ob ihm jemand eine Zentnerlast von den Schultern genommen hätte. »Patrick, Gott sei Dank! Wie geht’s dir?«
»Ganz gut.«
Mascha nickte dem Jungen anerkennend zu, Joe hob den Daumen.
Patrick fuhr fort: »Ich bin grade mit dem Polypen gefah...«
Joe riß ihm das Handy aus der Hand und sprach nun selber wieder hinein. »Sie kennen unsere Bedingungen! Ich melde
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