Ernst Bienzle 14 - Bienzle und die lange Wut
noch mal alle Leute in dem Bürohaus befragen lassen. Niemand hat Adler auf dem Korridor gesehen.«
»Wenn einmal was schiefgeht, geht alles schief!«, kommentierte Bienzle.
Gächter hob nur die Schultern. Er war jetzt wie paralysiert.
Der Präsident informierte die Anwesenden: »Zwei Beamte von der Schutzpolizei wollten sie stellen, aber Keller hat sofort geschossen. Einer der Beamten ist lebensgefährlich verletzt. Das Kind hatten Keller und Mascha Niebur bei sich.«
Staatsanwalt Roller kam herein. Er maß Gächter mit einem kalten Blick. »Jetzt wissen wir also, wozu dieser Joe Keller fähig ist.«
Bienzle sagte: »Der ist halt wie ein Tier, das in die Enge getrieben ist.«
»Wir müssen uns auf die Geldübergabe einlassen«, sagte der Präsident. »Das Leben des Kindes ist jetzt ernsthaft in Gefahr.«
»Ausgeschlossen!«, protestierte der Staatsanwalt.
»Es ist der einfachste und schnellste Weg, um an die beiden heranzukommen«, sagte der Präsident.
Roller ereiferte sich: »Und wenn die Aktion mißlingt, dann läuft nicht nur ein Mörder frei herum, sondern auch noch mit unserem Geld!«
Der Präsident nahm wieder das Wort: »Es wird natürlich eine fingierte Geldübergabe...«
»Außerdem ist Joe Keller nicht der Mörder Lohmanns«, meldete sich Bienzle.
Alle schauten ihn an. Plötzlich war es ganz still im Raum.
Der Staatsanwalt lachte kurz auf, wie jemand, der es besser weiß: »Behaupten Sie immer noch, daß es Gerry Adler war?«
»Nein, es war Mascha Niebur. Die Spurensicherung hat Anhaftungen von ihrem Mohairpullover an Lohmanns Hemdbrust festgestellt. Außerdem kann Dr. Kocher genau rekonstruieren, wie die Mordwaffe, also die Büroschere, geführt wurde. Mascha Niebur muß unter Lohmann gelegen haben. Kocher geht davon aus, daß Lohmann versucht hat, die junge Frau zu vergewaltigen.«
»Und das hat man beim Haftprüfungstermin noch nicht wissen können?«, geiferte der Staatsanwalt.
»Ich weiß nicht, wie intensiv Sie sich darum bemüht haben, Herr Staatsanwalt«, sagte Bienzle mit einem süffisanten Lächeln. »Ein schriftlicher Bericht lag allerdings zum fraglichen Zeitpunkt noch nicht vor.«
»Woher wollen Sie das denn alles wissen? Ich denke, Sie haben irgendwo draußen im Schwäbischen Wald ermittelt«, sagte Gollhofer giftig. Es paßte ihm überhaupt nicht, daß der Kollege Bienzle alles an sich riß.
Der nickte. »Ja, wir hatten dort heute eine Festnahme mit handfesten Indizien. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob wir schon den Richtigen haben.«
»Sie haben sogar ganz sicher den Falschen!« Das war Dr. Kocher. Er hatte, von den anderen unbemerkt, den Saal betreten, während Bienzle gesprochen hatte. »Albert Horrenried wurde zwar mit der Eisenstange niedergeschlagen, die Ihre Leute gefunden haben, aber gestorben ist er daran nicht.«
Bienzle seufzte. »Hat mich also meine Ahnung nicht getrogen.«
»Kann ich mal darauf hinweisen, daß wir es hier mit einem anderen Fall zu tun haben?«, bellte der Staatsanwalt.
»Danke für den Hinweis«, sagte der Präsident in seiner noblen Art. »Ich habe zusammen mit Hauptkommissar Gollhofer den folgenden Plan erarbeitet...«
Bienzle unterbrach seinen Chef noch mal. »Mit Ihrer Erlaubnis würde ich mich gerne von Herrn Dr. Kocher über meinen Fall informieren lassen.«
Der Präsident nickte nur und widmete sich dann den Aufzeichnungen, die er an den Rändern aufstieß und dann akkurat vor sich auf den Tisch legte, um sie Blatt für Blatt abzuarbeiten.
32
Bienzle und Dr. Kocher gingen in die Kantine. Seitdem Kocher eine kurze Affäre mit Hannelore Schmiedinger gehabt hatte, war das Verhältnis zwischen den beiden Männern, das früher fast freundschaftlich gewesen war, bis kurz über den Gefrierpunkt abgekühlt.
»Albert Horrenried ist zwar mit einer Eisenstange niedergeschlagen worden, aber daran ist er nicht gestorben«, sagte Kocher noch mal, als sie sich an einen der Resopaltische setzten und ihre Kaffeetassen abstellten.
»Und woran ist er gestorben?«
Kocher wollte seinen Triumph genießen. Er holte weit aus. »Die Eisenstange hat die Stirn gestreift, das hat zu einer stark blutenden Platzwunde geführt. Und dann hat der Schlag – abgeschwächt – die rechte Schulter getroffen, aber es ist nichts gebrochen oder gar zertrümmert. Es ist also ein eher schwacher Schlag gewesen. Vielleicht ist Albert Horrenried eine Zeit bewußtlos gewesen, aber gestorben ist er daran nicht.«
»Aber Ihr Kollege, dem Horrenried sein Hausarzt,
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