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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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ihn zum Verlassen des Raumes aufzufordern.
    »Herr Kluftinga, da Herr Dr. Möbius legt gwiess Weart drauf, doss i weida bei dem Gspräch dabei bin, oder? Schliaßle bin i der … «
    »Ich würde wirklich gern mit Herrn Kluftinger allein sprechen. Bitte haben Sie Verständnis, Herr Lodenbacher.«
    Lodenbachers Mund blieb offen stehen, sein Gesicht nahm eine tiefrote Farbe an.
    »Bitte«, sagte er beleidigt. »I woaß zwor net, wos de Hoamlichduarei soi, ober bittschön!«
    Schmollend zog Lodenbacher die Tür hinter sich zu.
    »Fahren wir also fort«, lenkte Kluftinger angesichts der Brisanz der Ereignisse das Gespräch wieder auf den Fall. »Sie können sich möglicherweise eine Parallele zwischen Ihrem Bruder und der Sage denken?«
    »Wissen Sie, als Sie das mit der Hilfe gesagt haben … «
    Wieder zögerte Möbius.
    »Herr Möbius, sagen Sie mir, was Sie wissen. Es geht um das Leben Ihres Bruders.«
    »Ich habe ihm geschworen, unter keinen Umständen jemandem von der Geschichte zu erzählen, aber … «
    Er war sichtlich in einem Dilemma.
    »Nun gut, ich mache es letztlich für ihn. Mein Bruder ist begeisterter Bergsteiger – und er liebt extreme Touren, auch im Himalaya. Es war vor vielleicht fünfzehn Jahren, da kam mein Bruder zu mir. Er war sehr bedrückt, seit er von einer seiner Reisen nach Nepal zurückgekommen ist. Er hatte eine Expedition hinter sich, bei der sein Bergkamerad verunglückt ist. Sie hatten zu zweit einen Siebentausender bestiegen. Ich sagte ihm immer wieder, er könne nichts dafür, dass der andere die Strapazen des Aufstiegs so schlecht verkraftet hatte, dass er tot zusammenbrach. Was hätte er denn auch tun sollen – allein auf siebentausend Metern, noch dazu ohne wirkliche medizinische Ausbildung?«
    Kluftinger griff nicht ins Gespräch ein, er nickte nur. Er wusste, dass Möbius nun an einem Punkt angekommen war, an dem er von sich aus erzählte.
    »Wie gesagt, eines Tages kam mein Bruder zu mir. Er habe etwas auf der Seele, sagte er, was er eigentlich niemandem erzählen könne. Und er nahm mir das Versprechen ab, mit niemandem darüber zu sprechen. Der Kamerad, von dem ich eben sprach, war körperlich weniger fit als mein Bruder und hatte bereits die Tage vor dem letzten Gipfelanstieg mit der Kondition zu kämpfen gehabt. Hinzu kamen starke Erfrierungen an den Füßen. Zwei Stunden vor dem Gipfel ist er mehrmals im Schnee zusammengebrochen, er war mit seinen Kräften am Ende. Mein Bruder wartete immer wieder und half ihm weiter, bis der andere im Schnee liegen blieb. Horst hatte damals nur eines im Sinn: den Gipfel. Und das, obwohl er auch schon ziemlich angeschlagen war. Wegen des Gipfels hatten sie all die Strapazen auf sich genommen, und jetzt war er noch knappe zwei Stunden entfernt. Er war zum Greifen nahe. Also ließ er seinen Kameraden zurück. Er packte ihn in eine Wärmedecke ein und versprach ihm, bald zurück zu sein.
    Horst beeilte sich und schaffte den Anstieg in etwas mehr als einer Stunde. Oben angekommen, kehrte er sofort um. Nach zwei Sunden fand er seinen Freund. Sein Gesicht war blau, er war erfroren. Wenn er vorher bei ihm geblieben wäre – er hätte ihn vielleicht retten können. Wahrscheinlich nicht, ich weiß es nicht. Zumindest redete er sich das danach immer ein. Schließlich musste mein Bruder seinen Kameraden einfach im Schnee liegen lassen. Ihn hinunterzubringen, daran war gar nicht zu denken. Im Basislager kam er mit letzter Kraft an – und erzählte allen, dass der Kamerad einfach tot zusammengebrochen war. Er wusste immer, dass er Schuld auf sich geladen hatte. Ich riet ihm, er solle beichten, ihn vielleicht oben im Schnee zu bergen versuchen – das alles aber reichte ihm nicht. Er fragte mich um juristischen Rat. Er wollte wissen, was ihm im Falle einer Selbstanzeige passieren würde. Dabei habe ich damals gerade mit dem Referendariat begonnen – ich hatte keine Ahnung. Und letztendlich hat er dann auch nichts unternommen.«
    Möbius wirkte erleichtert, nachdem er geendet hatte. Sandy Henske hatte während seiner ganzen Erzählung seine Hand gestreichelt.
    »Wer außer Ihnen weiß von dieser Geschichte?«, fragte Kluftinger nach.
    »Nur ich, Herr Kommissar, ich bin mir sicher, dass er es nicht einmal seiner Frau erzählt hat.«
    »Und Sie haben niemandem gegenüber jemals etwas erwähnt?«
    Möbius schüttelte energisch den Kopf. Für Kluftingers Gefühl etwas zu energisch.
    »Überlegen Sie genau. Eine Andeutung

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