Ernten und Sterben (German Edition)
meinst.« Friedhelm hob beschwichtigend die Hände. »Ich hab jetzt Hunger. Gibt es denn diese Pusteblume noch?«
»›Heideblume‹ heißt unser Gasthof mit dem erstklassigen Koch Sören Severin. Wird schwer werden, draußen noch einen Tisch zu bekommen.«
Ein paar Minuten später saßen sie am Stammtisch des Inhabers, der sie herangewinkt hatte, kaum hatten sie den Schankraum der »Heideblume« betreten.
»Welch seltener Gast in meiner bescheidenen Imbissbude. Sie sind doch sicher Besseres gewohnt, Herr Doktor.« Sören rückte die Stühle am Stammtisch, sodass Friedhelm sich bequem setzen konnte. »Nehmen Sie doch bitte Platz. Wer weiß, ob und wann man sich wiedersieht.«
Hubertus sah einen schmalen Tisch im Freien frei werden und lief schnell los. Noch im Stehen bestellte er bei Sören. »Servier doch bitte einfach dein Menü, und wir sind glücklich.«
»Heute gibt es Pastinaken-Creme-Suppe mit Kräuterschaum, dann Rindermedaillons mit Portweinsoße und Bohnen-Kartoffel-Stampf und zum Abschluss Panna cotta mit kandierten Limetten. Was darf ich Ihnen zu trinken bringen lassen? Champagner, Herr Doktor?« Sören zückte seinen Bestellblock.
»Ich bevorzuge deutsches Wasser, genau wie mein Bruder. Oder, Hubsi?«, sagte Friedhelm, der aufgeholt hatte und neben dem Tisch stand.
Hubsi war sofort sauer. Er hasste diesen Spitznamen aus fernen Jugendjahren, und er hasste es, bei einem guten Essen auf den geliebten Wein zu verzichten. Gemeinsam setzten sie sich draußen hin, und schon wurde die Suppe serviert. Angesichts der Vorspeise hellte sich Hubertus’ Miene auf.
»Das geht heute auf Kosten des Hauses.« Sören lächelte Friedhelm an. »Man weiß ja, was so ein englischer Gebrauchtwagen an Sprit schluckt.«
Was war denn hier los? In all den Jahren, in denen er schon in Klein-Büchsen lebte, hatte Sören Hubertus noch nie ein Essen spendiert.
»Du bist auch eingeladen, Hubertus. Nur kein Neid«, sagte Sören.
»Du willst doch irgendetwas. Spuck’s aus.« Hubertus fing an, seine Fingernägel mit dem Messer zu säubern.
»Deine Manieren waren auch schon mal besser.« Sören nahm ihm das kostbare Tafelsilber aus der Hand. »Außerdem redest du wie Arnie in einem seiner Ballerfilme. Ich muss mich schon sehr wundern.«
»Ich glaube eher, dass der Herr Severin kurz mit mir unter vier Augen sprechen möchte«, sagte Friedhelm. »Bei einem Espresso in Ihrem Büro. Lassen Sie sich Zeit, ich warte auf Sie.«
Der Hauptgang schmeckte beiden vorzüglich. Das Fleisch war aus der Region, und die Portweinsoße eine gute Wahl.
»Dieser Garrafeira-Port ließe sich auch sehr gut pur genießen«, sagte Hubertus. »Aber Bohnen-Kartoffel-Stampf ist ja irgendwie nicht meine Lieblingsbeilage. Schmeckt nach Krankenhaus und zahnlosen Rentnern«, nörgelte Hubertus und spekulierte eigentlich nur auf etwas anderes als Wasser zum Nachspülen, während ihn Friedhelm mit der Nachsicht behandelte, die man normalerweise bei ungezogenen Kindern an den Tag legte.
»Großmutter hat doch auch immer Bohnen-Kartoffel-Stampf gekocht, sonntags zum Braten. Ich weiß gar nicht, warum dir das jetzt nicht mehr schmeckt«, sagte Friedhelm, der mit dem Interesse eines Ethnologen beobachtete, wie sich der Dorfplatz langsam mit Verkaufsständen füllte.
»Ist mir zu trocken. Ich brauch als Geschmacksverstärker Rotwein.« Hubertus schob lustlos den Kartoffelbrei von einer Ecke des Tellers in die andere.
»Langsam mache ich mir wirklich sorgen um deine Leberwerte. Hast du die von Albertine schon einmal checken lassen?«
Beim Thema Leberwerte wurde Hubertus noch missmutiger, was Friedhelm nicht entging. »Schau dich mal um, Hubsi! Das ist doch herrlich hier. Da muss man sich nichts schöntrinken. Ich kann die Vorfreude auf morgen richtig mit den Händen greifen. Sieh doch mal, da rechts wird ein kleines Kettenkarussell aufgebaut und ein Rondell für die Ponys. Wird dieses Jahr wieder eine Bauern-Olympiade veranstaltet?« Friedhelm hatte letztes Jahr einen glorreichen Sieg bei der Bauern-Olympiade hingelegt. Beim Gedanken daran geriet er direkt ins Schwärmen.
»Weiß nicht, vielleicht fällt sie aus Pietätsgründen aus«, brummte Hubertus. »Weil doch die Schwarz-Weiße von Bauer Schlüter gekreuzigt wurde.«
»Was? Dieser Psycho ist also auch noch ein Tierquäler. Da vorne steht die Bäuerin. Ich bin gleich wieder da.« Friedhelm erhob sich und steuerte mit wehenden Rockschößen auf Bäuerin Schlüter zu. Über die Schulter rief er Hubertus
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