Eroberung unter Palmen
kaum merklich. Als sie aus einem
Impuls heraus nach rechts blickte, bemerkte sie unvermittelt Domenic,
der in einiger Entfernung stand und … sie beobachtete.
Für
Sekundenbruchteile war das geräumige Restaurant ausgeblendet,
und sie hatten nur noch Augen füreinander. Die Welt schien
stillzustehen, und doch passierte in jenem unendlich kurzen Moment
etwas Unerklärliches. Opal wurde es auf einmal heiß und
kalt, sie erschauerte erneut und errötete, als Domenic sie mit
seinem unergründlichen Blick maß. Und gerade als sie
dachte, dass sie ihn keine Sekunde länger ansehen könnte,
lächelte er, und ihr wurde wohlig warm. Sie begriff instinktiv,
dass dieses Lächeln ihr galt, und trotz aller Vorbehalte, trotz
allem, was gegen ihn sprach, machte es sie glücklich.
Ärgerlich
über ihre brennenden Wangen, senkte sie die Lider, während
er sich zwischen den Tischen einen Weg zu ihr bahnte und dabei das
Handy in die Brusttasche seines feinen Batisthemds zurückschob.
"Verzeihen
Sie", sagte Domenic, als er wieder Platz nahm. "Mein Vater
ließ sich nicht länger abwimmeln. Es tut mir Leid, aber
die Familie hat nun einmal Vorrang, wie wichtig das Geschäftliche
auch immer sein mag."
"Sie
brauchen sich nicht zu entschuldigen", erwiderte Opal rasch.
"Meine beiden Zwillingsschwestern und ich stehen uns auch sehr
nahe, obwohl ich sie leider viel zu selten sehe."
Domenic
trank einen Schluck Kaffee und nickte anerkennend. Sogar Clemengers'
Spezialmischung schien seinen Geschmack zu treffen. "Erzählen
Sie mir von Ihren Schwestern."
Opal
stellte ihre Tasse ab, froh über diese Ablenkung. "Sie sind
zweiundzwanzig. Sapphire, genannt Sapphy, ist zehn Minuten älter
als ihre Schwester. Sie arbeitet derzeit in Mailand und hat sich dort
schon einen Namen als Modeschöpferin für eines der ganz
großen Häuser gemacht. Irgendwann möchte sie ihr
eigenes Label haben. Und bei ihrem Ehrgeiz wird sie das auch
schaffen.
Ruby
lebt in Broome und eignet sich dort Fachwissen aus der
Perlenindustrie an. Sie ist mit ganzer Seele Schmuckdesignerin und
hat einige fantastische Stücke entworfen."
"Opal,
Rubin, Saphir, Sie sind also alle nach kostbaren Steinen benannt."
Opal
lachte leise. "Das war die Idee meiner Mutter. Sie hieß
Pearl. Dieses Restaurant", sie machte eine ausladende Geste,
"ist nach ihr benannt. Für sie waren wir alle wunderschön
und kostbar, und das wollte sie mit der Namensgebung unterstreichen."
Opal
verstummte unvermittelt, denn die Erinnerung an ihre Mutter überkam
sie. Sie war erst neun Jahre alt gewesen, als ihre geliebte Mutter
einsam und an gebrochenem Herzen starb, nachdem sie der Lebensmut
verlassen hatte. Ihre schöne, zärtliche Mutter, deren
einzige Verfehlung darin bestanden hatte, zu sehr zu lieben.
Und
alle hatten geglaubt, ihr fehle es an nichts, mit einem aufwändigen
Lebensstil, drei hübschen kleinen Mädchen und einem
gediegenen Restaurant, das ihren Namen trug. Niemand wusste um das
leere Bett neben Pearl, die ständigen Seitensprünge von
Opals Vater und um den Scherbenhaufen ihrer Ehe.
Niemand
außer Opal. Alt genug, um den Kummer ihrer Mutter zu spüren,
aber noch viel zu jung, um irgendetwas dagegen tun zu können,
hatte sie sich damals fest vorgenommen, eines Tages Frauen zu helfen,
denen es nicht gelang, sich aus einer unglücklichen Beziehung zu
lösen.
"Mir
gefällt die Philosophie Ihrer Mutter", riss Domenic sie aus
ihren Gedanken.
"Wirklich?"
Sie lächelte zerstreut. "Ich weiß nicht, ob mein
Vater Ihrer Meinung gewesen wäre, wenn meine Mutter einen Jungen
bekommen hätte. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass er
seinen Sohn auf den Namen 'Granat' getauft hätte."
Domenic
schnitt ein Gesicht. "Vermutlich nicht. Wann ist Ihr Vater
verstorben?"
"Vor
zwei Jahren." Angestrengt überlegte sie. "Nein, vor
gut zweieinhalb Jahren. Er hatte einen Herzinfarkt."
"Wie
tragisch", meinte Domenic mit Bedauern in der Stimme. "Der
Stress, der mit der Hotelführung verbunden ist, ist enorm und
wird häufig unterschätzt."
Opal
sah aus dem Fenster, als interessierte sie sich für die
Passanten auf der Straße, für die Touristen, die durch die
vielen Galerien und Geschäfte bummelten, und die rotgesichtigen
Manager, die nach einem langen, alkoholreichen Lunch in ihre Büros
zurückkehrten.
Natürlich
wurden Stress und Anspannung in ihrem Gewerbe vielfach unterschätzt.
Und bei ihrem Vater war zu allem Überfluss noch der Ehrgeiz
hinzugekommen, eine neunzehnjährige
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