Eros
Tonfall ins Vertrauliche: Es sei ja doch von
einiger Wichtigkeit.
»Unmöglich. Tut mir leid. Ich kann Sie mit dem Sekretariat
verbinden, für einen Termin. Um welche Angelegenheit geht es?«
An dieser Stelle mischt sich Alexander ins Gespräch und fixiert die
Dame, er, ja, man muß es so nennen, schnüffelt an ihr.
»Haare immer lang, Sie, nicht so gelb … Sah … immer so gut aus!«
»Oh.«
Dr. Fröhlich schiebt sich vor den jungen Mann, nimmt ihn bei den
Schultern, bittet um Verzeihung. »Er meint wahrscheinlich, Sie seien früher
nicht blond gewesen. Stimmt das?«
»Ich wüßte nicht, was Sie das, naja. Stimmt. Bittesehr.«
»Kennen Sie diesen Jungen vielleicht?«
Die Empfangsdame ist sich gar nicht so unsicher. Irgendwoher kommt
ihr das Gesicht ja in der Tat bekannt vor. Wenn auch nicht vertraut.
»Ähmm.« Sie wagt nicht, eine dezidierte Meinung zu äußern. Ihr
beginnt das alles etwas unheimlich zu werden.
Alex zittert. Für einen Moment sieht es aus, als bekomme er einen
Anfall, er zerrt an sich selbst herum, bis er sein Gleichgewicht findet, ruft
dann, mit halblauter Stimme, die sich vor ihrem eigenen Hall fürchtet: »Ich …
Alexander von Brücken – lassen Sie mich da rein! Bitte!«
Die Empfangsdame reagiert äußerlich gar nicht. Aber doch
beeindruckt. Sie schweigt und kaut an einem Bleistift. Es könnte tatsächlich
sein. Bloß keinen Fehler machen. Sie hat den kleinen Sohn vom Chef ein paarmal
gesehen. Die entfernte Ähnlichkeit ist nicht abzustreiten. Völlig überfordert,
bangt sie um ihre Arbeitsstelle. »Herrgott, was tun Sie mir an?«
»Ich glaube nicht, daß er lügt. Helfen Sie uns!«
»Blond ist besser«, sagt Alexander.
»Nicht so vorlaut, junger Mann!« Aber sie sagt es nur, um etwas zu
sagen. Dann steht sie auf und winkt, mit vier Fingern, wie man eine Kastagnette
schlägt.
»Na schön. Folgen Sie mir!« Über eine Treppe gelangen Alex und Dr.
Fröhlich, Hand in Hand, ans Ende eines langen leeren Flures. Vor eine breite
Tür aus Mahagoniholz.
Die Empfangsdame, einem Nervenzusammenbruch nahe, entfernt sich.
Läßt die beiden allein, möchte sich raushalten. »Sagen Sie bitte, es sei Ihnen
gelungen, sich irgendwie an mir vorbeizuschleichen, ja?«
Dr. Fröhlich nickt dankend und wendet sich seinem Schützling zu.
Kneift ihm in die Backe.
»Sollen wir?«
»Knut. Vater. Connie. Cosima. Mama. Felice.«
»Also los.« Er
öffnet die Tür zum Konferenzzimmer. Der Arzt ist ebenso aufgeregt wie sein
Patient, er beschwichtigt sich mit der Überlegung, schlimmstenfalls könne man
ihn wegen Hausfriedensbruchs belangen.
Ein heller großer Raum. Der Vorstand tagt. Keferloher am Kopf der
langen Tafel, an seiner Seite Sohn Lukian. Dem gegenüber, in einem Rollstuhl am
Fenster, Tante Hilde. Als bis dato einzige Überlebende der Familie v. Brücken
wohnt sie der Jahreshauptgeschäftssitzung als Ehrengast und Haupterbin bei. Das
Entmündigungsverfahren gegen die alte Dame läuft seit einem Jahr. Aus
irgendwelchen Gründen verschleppt die Behörde jedoch ihre Entscheidung, was
wohl auch an Tante Hilde liegt, die in manchen Augenblicken noch ganz klar
scheint.
Insgesamt sieben Vorstandsmitglieder, würdige ältere Herren, starren
die Eindringlinge an.
Keferloher gibt den Erstaunten, eher belustigt als empört.
»Was haben wir – was soll das denn?« Sein Blick fällt auf den
Jungen, der ihn ansieht.
»Kann mir mal jemand sagen …« Keferloher stutzt, bekommt eine
Ahnung, wer da hereingekommen ist, gewinnt aber sofort die Kontrolle über sich
zurück.
Alexander tritt vor, legt seine Armbanduhr auf den Tisch.
»Guten Tag, Keferloher Herr!«
»Was ist das? Was soll das?«
»Hihihi.«
»Lukian! Hallo!«
»Alexander?« Lukian, der sich eigentlich nur im Raum befindet, um
den Vater zu bewundern, der nur mal am Duft der Macht schnuppern soll, spricht
gleichsam ein Zauberwort, das alle Anwesenden in Aufregung versetzt. Geraune.
Gemurmel.
Keferloher zeigt sich nervös, aber kämpferisch.
»Unsinn, Alexander. Ist ja Unsinn. Hat ja gar keine Ähnlichkeit …
Wer ist denn der Mensch dort?« Direktor Keferloher deutet mit dem blanken
Zeigefinger auf Dr. Fröhlich, der sich räuspert und vorstellt.
Tante Hilde ruft: »Alexander? Du bist das? Komm mal her! Ja, komm
doch nur mal her!«
Alle Umsitzenden starren Tante Hilde an. Es ist, vermutlich seit
längerer Zeit, der erste Lichtmoment in ihrem Leben.
»Ja, groß bist du geworden. Ach … Das ist schön . Kann ich ein Gläschen
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