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Eros

Eros

Titel: Eros Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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nur raus aus diesem Schloß, bitte,
bitte. Er zückte sein Mobiltelefon und führte mich die Treppe hinunter zum
Hauptausgang, vor dem ein Wagen mit Chauffeur stand, derselbe, der mich vom
Bahnhof hierher gefahren hatte.
    »Wenn Sie Drogen brauchen, sagen Sies. Sie sehen so aus. Wir sind
hier auf alles mögliche eingerichtet.«
    Ich wußte nicht, was ich brauchte. Der Wagen sollte mich irgendwohin
fahren, wo es bunte Lichter gab, und wenn es nur eine schäbige Wirtschaft mit
Jukebox wäre. Der Chauffeur zuckte die Achseln, als Lukian ihn instruierte, mir
jeden Wunsch zu erfüllen. Wir fuhren ins Dorf, kurz vor neun Uhr abends, viel
würde nicht geboten. Ein griechisches Restaurant, ein Bistro und eine Disco mit
angrenzendem Barbetrieb, allerdings ohne Rotlichtkonzession. Mir fiel ein, daß
ich kaum Bargeld besaß, es reichte für ein, zwei Drinks. Um mich her standen,
provokant gegen den Tresen gefläzt, Bauernburschen der Umgebung, die mich
mißtrauisch ansahen, die in mir einen Fremdkörper witterten und prompt Pläne
schmiedeten, wie mir auf die Schliche zu kommen sei. Die Barfrau war
riesenbrüstig und ungeschlacht, und aus den Lautsprechern dröhnte billige
Musik, für Idioten produziert. Mein Chauffeur zog es vor, im Wagen zu warten.
Ich fühlte mich schutzlos und unbefriedigt, trank sehr schnell zwei Gin Tonic,
bezahlte und ging wieder.
    Die Bauernburschen wirkten enttäuscht, um eine kleine Grausamkeit
betrogen. Auf dem Weg zum Schloß zurück begann der Chauffeur davon zu reden,
daß der nächste Puff nur dreißig Kilometer entfernt sei. Man habe dort Kredit.
Wenn ich Lust hätte, müsse ich mir keine Gedanken machen.
    »Wir haben dort Kredit?« fragte ich und benutzte die erste Person
Mehrzahl. »Wieso denn das?«
    Früher, erzählte der Chauffeur, habe man öfter mal Mädels auf das
Schloß bestellt, inzwischen ja nicht mehr.
    »Ach ja? Wer hat Mädels auf das Schloß bestellt?« Ich wollte es
genau wissen.
    Früher, erzählte der Chauffeur, nun ein wenig warm geworden während
des Schwelgens, sei alles anders gewesen, er habe öfter mal ein paar Mädels
gefahren, abends hin, morgens zurück.
    »Für wen?«
    Das entziehe sich seiner Kenntnis, meinte der Chauffeur, er sei
Chauffeur, mehr nicht.
    Er schien die Begrenztheit seines Daseins in diesem einen Satz
zusammenfassen zu wollen, ohne deswegen Klage zu erheben. Was er sagte, schien
eher als Rechtfertigung gemeint.
    Aber was ging mich das eigentlich an? Störte mich tatsächlich die
Vorstellung, Alexander habe nicht als Asket, als Säulenheiliger gelebt? Sicher
kamen ihn oft Vorstandsmitglieder besuchen, denen er zur Nacht Betthasen
besorgt haben dürfte, wie es üblich sein dürfte, wo immer die Mittel dazu
vorhanden sind. Ich mußte schmunzeln darüber, wie ich die kommende Hauptfigur
meines Romans bereits auszugestalten begann. Beziehungsweise wie Alexander mich
genau dazu gebracht hatte.

Siebter Tag
    Die Niemandsrose
    Als ich um zehn Uhr morgens die Halle betrat, erwartete er
mich in einem Bett liegend, das man mitten in den riesigen Raum gestellt hatte.
Seltsamerweise trug Alexander über seinem Schlafanzug ein blaues Sacco,
vielleicht glaubte er, so seinen Anblick für mich weniger intim zu gestalten.
Die Ärzte hätten ihm Bettruhe verordnet, er habe nie an Bettruhe geglaubt, aber
bitte, er sei zu Kompromissen fähig. Ob ich die Akten studiert hätte?
    Nur grob, leider, erwiderte ich. Mir sei nach einem Ausflug zumut
gewesen.
    »Verstehe. Hab schon gehört. Es trieb Sie wohl ein plötzliches
Bedürfnis nach Leben, wie?«
    »So könnte man sagen.«
    »Jetzt wissen Sie, wie es mir täglich, stündlich, minütlich geht.«
    Ob Sofie in dieser Nacht daran denkt, ein von Grund auf
neues Leben zu beginnen? Sie entscheidet, das Angebot zu akzeptieren und für
einige Wochen unterzutauchen, bis sie ihr Alkoholproblem in den Griff bekommen
und der Rummel um ihre Person nachgelassen hat. Worauf sie sich einläßt, wird
ihr erst später bewußt werden, alles kommt unvorbereitet, beinahe
überfallartig. In ihrem Tagebuch wird die nächtliche Autofahrt mit einer
Geisterbahn verglichen, aber entlang an gutartigen Geistern, die sich zwar
wichtig machen, aber sich auch schützend über sie beugen. Entschluß: Vertrauen. Dann Schlaf .
Steht da. Am Grenzübergang Helmstedt wechselt sie auf das Gebiet der Deutschen
Demokratischen Republik. In einem schwarzen Mercedes mit Diplomatenkennzeichen.
Hinter der Grenze kommt es zum sofortigen Fahrzeugtausch, man steigt in

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