ErosÄrger
blinkendes Herz.
»Sind Sie nicht die Perle, die die Matching-Myth leitet?« Der interessierte Tonfall meines Gegenüber wurde zu einer Anklage und spiegelte sich in seinem Gesichtsausdruck.
Obwohl alles in mir nach einer Lüge schrie, war mein Ego stärker. »Ja.«
»Was machen Sie hier?«
»Ich spioniere Sie aus.«
Einen Augenblick lang starrte er mich an, dann begann er zu lachen. Herzlich. Die Lachfalten um seine Augen zeigten, dass er das gerne und oft tat. »Mich persönlich – oder mich als Konkurrent?«
Ich erwiderte das Lächeln, antwortete aber nicht. Trotzdem stellte er zwei Pinnchen auf die Theke und schenkte einen undefinierbaren Schnaps aus einer grünen Flasche ein, um mit mir anzustoßen. Einzig meine Erfahrung ließ mich nicht sofort ablehnen. Weil Männer immer gleich meinen mussten, »nein« zum Schnaps sei gleichbedeutend mit »nein« zu ihnen.
»Sie veranstalten das hier?« Meine Handbewegung schloss den gesamten Saal und alle Anwesenden mit ein.
»Mein Bruder und ich«, gestand der Kellner. Obwohl er sehr jung wirkte, hatte ich auf einmal den eindringlichen Eindruck, dass er es faustdick hinter den Ohren hatte – was Frauen anbelangte.
Tatsächlich nahm er sein kleines Schnapsglas, prostete mir zu, und zwang mich so dazu, auf seine Höflichkeit einzugehen – oder extrem rüde zu wirken. Die Schärfe des Getränks überraschte die Geschmacksknospen auf meiner Zunge (jede einzelne) und schien meinen Hals zu verätzen. Ungewollt musste ich husten.
»Noch einen?!« Der Blonde schenkte mir ein schelmisches Lächeln.
»Danke, nein!« Eigentlich verdiente ich sogar einen Orden, weil ich nicht auf die Theke gespuckt hatte. Einen zweiten, weil ich höflich blieb. Und den Friedensnobelpreis, weil ich den schnuckeligen Kellner nicht erschlug, als er abermals lachte. Herzhaft.
Trotzdem war es die Unruhe um mich herum, die ihm das Leben rettete und meine Aufmerksamkeit von ihm fort und in die Mitte des Raumes lenkte. Der Muskelmann mit dem schrecklichen herzroten Anzug wurde dort in einen Lichtkegel getaucht und wirkte wie ein Vermittlungs-Picasso. (Nicht wie der Maler, sondern wie eines seiner Bilder.)
»Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Wesen …« Autsch! »Ich freue mich Sie so zahlreich begrüßen zu dürfen und hoffe, viele von Ihnen heute Abend glücklich machen zu dürfen …« Doppelautsch. Das klang ja, als wolle er mit uns allen ins Bett gehen. Wollte er vielleicht auch. Sein Bruder ganz bestimmt, denn der flirtete gerade mit der Zombiedame, schien aber keinen Unterschied zwischen ihr und mir zu machen. »Die Damen setzen sich bitte an einen der Tisch, danach geht jeweils ein Mann an einen Tisch. Sie haben dann fünf Minuten Zeit um ihr Gegenüber kennenzulernen. Beim »Gong« geht es weiter zum nächsten Tisch.« Fünf Minuten für die Ewigkeit. Jetzt war ich doch ein bisschen beeindruckt. Da wurde der Spruch »Drum prüfe, wer sich ewig bindet …« doch gleich viel unterhaltsamer. Zumindest für mich. Und für Leute mit einem gewissen Galgenhumor. Ich denke, Sie wissen schon, was ich meine … »Meine Damen, merken sie sich gut, wen sie noch mal treffen wollen. Am Schluss dürfen sie nur einen der Männer wählen – und wenn der sie auch als Wunschkandidatin Nummer Eins sieht, haben Sie Glück gehabt und wir spendieren ihnen ein romantisches Abendessen.«
Genau! Was sollte man auch mit zweiten Chancen oder Auswahlmöglichkeiten anfangen? Entweder wollte der Veranstalter die Chance auf eine gelungen Verkupplung so gering wie möglich halten, ein Abendessen sparen oder die Zwangsehen wieder einführen.
Leicht genervt setzte ich mich an den erstbesten Tisch und wartete mit dem stoischen Gesichtsausdruck einer schlecht gelaunten Liebesgöttin auf meine erste Liebesoption. Als sie mein Weindealer zu mir gesellte, dachte ich an die Zombiedame und nur der Gedanke daran, dass ich eigentlich eine nette Person war, ließ mich sitzenbleiben. »Sie dürfen selbst mitmachen?«
Der Barkeeper sah mich einen Moment lang verständnislos an, dann nickte er beflissen. »Deswegen machen wir das ja.«
Ah! Erklärte einiges. Allerdings nichts Gutes.
»Und Sie?«
»Wie gesagt: Ich spioniere Sie aus.«
»Sie suchen keine Liebe?«
»Nein.«
Im selben Maße, wie er sich freute, fühlte ich mich elend. »Ich möchte Sie wiedersehen. Auf jeden Fall.« Ich hielt mich an dem guten Teil meiner Persönlichkeit fest, bekam meine Zunge gerade noch rechtzeitig unter Kontrolle und nickte nur.
»Sie
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