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Wo ist Zula?«
»Geht’s dir gut? Wo ist Zula?«
Sogar durch geschlossene Augenlider und mit ihr zugewandtem Rücken hatte der Blitz der Granate riesige dunkelrote Flecken hinterlassen, die in der Mitte von Yuxias Gesichtsfeld schwammen und ihr den Blick auf Csongors Gesicht verschleierten. Doch sie wusste, wer er war.
»Sie haben sie mitgenommen«, sagte sie.
Csongor hatte sie an den Oberarmen festgehalten. Jetzt ließ er sie los. Ihr wurde bewusst, dass sie nur aufgrund der Tatsache aufrecht stand, dass Csongor sie auf die Füße gehievt hatte. Daher folgte jetzt ein Moment, wo sie halb hinfiel und sich wieder fangen, ihre Beine unter Kontrolle bringen, ihr Gleichgewicht wiedererlangen musste. Am Ende lehnte sie halbwegs am Eckpfosten eines Stockbetts mit geschweißtem Stahlrahmen. Die Kabine war voller Rauch, und der stieg auch weiterhin von tausend kleinen Aschestückchen auf, die, brennend oder sich bis zur Matratze durchfressend, über die Bettdecke verstreut waren. Yuxia hustete und drückte sich ihre freie Hand vor den Mund. Csongor war unterdessen schon wieder in Bewegung, trat unruhig auf der Schwelle hin und her. Dann sah sie ihn in die Kabine kommen und einen Mann packen, der auf dem Boden lag. Csongor hievte sich den Mann wie einen Sack Reis auf die Schulter und ging hinaus. Es gab ein Platschen. Dann war er wieder in der Kabine und wiederholte den Vorgang.
Von draußen hörte sie Marlon leichte Bedenken äußern: »Diese Männer sind ganz benommen!«
»Das wird sie wach machen«, sagte Csongor.
Soweit es Yuxia betraf, war das einzig Falsche an dem, was Csongor da tat, dass es vielleicht nicht zum Tod dieser Männer führen würde. Sie wollte sie selbst über Bord werfen.
Sie konnte den Schiffsmotor nicht hören und nahm an, es läge daran, dass der Knall der Granate sie taub gemacht hatte. Ebenso wenig konnte sie jedoch, wie sie bemerkte, seine Vibration spüren. Zwischen Csongor und Marlon fand ein hitziger und besorgter Wortwechsel statt. Yuxia ging hinaus, um frische Luft zu schnappen. Sie sah den Koch – den Mann, der ihr vorher den Tee gegeben hatte – sich ans Geländer ducken. Er hatte beobachtet, wie Csongor Männer über Bord warf, und ging davon aus, dass er der Nächste war. »Der Mann hier war nett zu mir«, verkündete Yuxia auf Englisch, und dann sagte sie auf Mandarin zu dem Mann, dass alles gut werde. Sie war sich allerdings nicht sicher, dass er Mandarin verstand.
Weder Csongor noch Marlon hörten sie, denn sie rannten gerade unter lautem Pochen eine stählerne Treppe zur Brücke hinauf, die eine Ebene höher lag. Dann brüllten sich Männer um die Wette an. »Sehen wir nach, was da los ist«, schlug sie dem Teemann vor und machte eine »Nach Ihnen«-Geste in Richtung Treppe. Am ganzen Leib zitternd, stieg er vor ihr die Treppe zur Kommandobrücke des Schiffs hinauf.
Csongor stand in einer Ecke und zielte mit einer Pistole auf ein Besatzungsmitglied, das anscheinend während allem, was gerade passiert war, am Steuer ausgeharrt hatte. Marlon sprach auf Mandarin mit dem Mann. »Sie haben keine andere Wahl«, sagte er, als wiederholte er etwas, was er bereits gesagt, was dieser Steuermann in seiner Dummheit jedoch nicht verstanden hatte. »Sie müssen uns hier wegbringen. Bringen Sie uns nach Taiwan oder zu den Philippinen oder so was. Wir haben keine Zeit zu verlieren!«
Der Steuermann schien unfähig, eine Entscheidung zu treffen, bis endlich der Koch auf Fujianesisch das Wort ergriff und ihm erklärte, dass alle anderen Besatzungsmitglieder über Bord geworfen worden seien. Das schien großen Eindruck auf den Steuermann zu machen. Schließlich wandte er sich wieder der Steuerkonsole zu und betätigte einen Hebel, der den Motor anwarf. Yuxia spürte, wie das Schiff unter ihr beschleunigte, was ein gutes Gefühl war. »Bringen Sie uns vom Strand weg!«, verlangte Marlon, der anscheinend fürchtete, der Steuermann könnte versuchen, das Schiff absichtlich auf den Sand zu setzen. Der Mann nahm einen zaghaften Wechsel des Kurses vor, der den Bug von der Herzlosen Insel wegdrehen ließ. Das genügte Marlon nicht, der vortrat und das Steuerrad noch weiter in dieselbe Richtung herumriss. Das löste bei dem Steuermann einen Schwall von panischem Fujianesisch aus, den Yuxia ins Englische übersetzte: »Er sagt, dass du das Schiff gerade direkt nach Kinmen ausgerichtet hast. Wenn wir diesen Kurs beibehalten, sind wir erledigt.«
Marlon trat vom Steuerrad zurück und ließ den Mann
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