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Ersehnt

Ersehnt

Titel: Ersehnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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hatte ein komisches Gefühl. Es war nicht stark genug, um ihn abzuschreiben und zu verlassen. Noch nicht. Ich wollte das immer noch mit ihm durchstehen und ihm helfen. Ich betrachtete ihn nicht als hoffnungslos verloren, sondern nur als verwirrt und unverständig, so wie River mich zweifellos ebenfalls sah.
    Wir gingen also zum Essen und es war prima - wir belagerten das Restaurant, bis man uns praktisch rauswarf, denn wir ließen uns viel Zeit mit unseren Drinks und Desserts und noch mehr Drinks und dann noch mehr Desserts. Incy war wieder wie immer, charmant, ganz reizend und unglaublich komisch. Wir lachten viel. Als wir aufbrachen, fühlte ich mich wesentlich besser, weil Incy wieder normal war. Auch Cicely, die im Hotel so sauer auf mich und Boz gewesen war, hatte sich wieder abgeregt.
    Aber jetzt diskutierten wir darüber, ob wir in Incys neue Lieblingsbar gehen sollten, eine Kneipe am Stadtrand, die Miss Edna's hieß.
    »Können wir nicht noch mal ins Den gehen?«, fragte Katy.
    »Sei doch nicht so langweilig«, entgegnete Incy mit einem schneidenden Unterton. »Strat hat angerufen. Er trifft uns dort, sobald sein Sport-Ding vorbei ist.«
    Katy seufzte und sah aus dem Wagenfenster. Ich saß vorn bei Incy; Katy, Cicely und Boz saßen auf dem Rücksitz.
    »Da geht doch nichts ab, Mann«, sagte Boz, der sich müde anhörte. Er drückte sich mit Daumen und Zeigefinger auf den Nasenrücken, dann streckte er seinen Rücken durch.
    »He, lasst uns doch in die Bar im obersten Stock vom McAllister;Turm gehen! Die Aussicht ist super, man trifft einen Haufen von Bostons Reichsten und Dümmsten und es spielt eine Jazzband.«
    »Klingt super«, sagte ich. Eine Jazzband war definitiv mal was anderes als ein weiterer Club mit hämmernden Bässen. »Nein«, sagte Incy stur. »Da können wir immer hingehen.
    Ich will jetzt zu Edna's. Ich will, dass Nasty den Laden sieht.«
    »Oh, der kommt sicher ganz prima an«, murmelte Boz. Ich warf einen Blick nach hinten und er verdrehte die Augen.
    »Was ist Edna's für ein Laden?«, fragte ich.
    Incy lächelte und tätschelte meine Hand. »Ein ganz besonderer Laden«, sagte er. »Du wirst ihn lieben. Ich kann es kaum erwarten, ihn dir zu zeigen.«
    »Ich sterbe vor Neugier«, entgegnete ich und er lachte.
    »Und Strat trifft uns da«, wiederholte er.
    »Es ist echt interessant dort«, sagte Cicely. »Eine ganz neue Erfahrung. «
    »Vielleicht solltest du mich am Hotel absetzen«, schlug Katy vor.
    »Nein!«, fauchte Incy und trat aufs Gas. »Ihr seid so undankbar! Da finde ich diesen umwerfenden Laden und euch passt mal wieder nichts von dem, was ich tue! Ihr wollt mich ja nur runterziehen! Ihr könnt es nur nicht ertragen, dass ich besser bin als ihr!«
    Nicht schon wieder. Ich warf Boz einen genervten Blick zu. Er antwortete mit einem Augenrollen. Cicely sah gelangweilt aus und inspizierte ihren Nagellack.
    »Besser als wir?«, schnaubte Katy gereizt. »Worin denn? Im Stehen pissen? Jetzt hör mal zu, du Arsch-«
    »Da wären wir.« Incy trat auf die Bremse und schaltete das Licht aus, bevor ich auch nur einen ersten Eindruck von der Umgebung erhaschen konnte.
    »Und wo ist das?«, fragte ich. Ich sah aus dem Autofenster und erkannte, dass wir anscheinend auf einem Filmset mit dem Titel >Gefährliche Gegend< gelandet waren. »Incy, wo sind wir?« Ja, ich meide gefährliche Gegenden nach Möglichkeit. Wenn ich angeschossen oder niedergestochen werde, sterbe ich zwar nicht daran, aber es tut genauso weh wie bei jedem anderen und eine traumatische Erfahrung ist es obendrein. Wir sind keine Superhelden. Wir haben keine Spiderman;Kräfte und wir besitzen die ganz normalen Schmerzrezeptoren. Wir können überfallen und ausgeraubt und angegriffen werden wie jeder andere.
    Incy lächelte mich an und zog den Zündschlüssel ab. »Ein kleines Etablissement in Winchley.«
    Winchley. Vor langer Zeit war das eine blühende Mittelklasse;Gemeinde gewesen, mit Läden im Erdgeschoss und darüberliegenden Wohnungen. Ich hatte zwar keine Ahnung, in welcher Straße wir waren, aber wenn ich an Winchley dachte, sah ich einen sonnigen Tag, strohbedecktes Kopfsteinpflaster, Pferde und Kutschen und Straßenhändler vor mir. Das muss ungefähr um 1890 gewesen sein oder so.
    Ich sah mich um. Winchley war offensichtlich den Bach runtergegangen. Manche Viertel sehen schlimmer aus, als sie sind, und andere sind schlimmer, als sie aussehen. Aber

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