Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine

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aufgehenden Sonne, dann verhärtete ihm der Haß wieder die Brust, und er starrte sie mit kaltem Abscheu an, als sie mit wilder Miene an ihm vorbeiblickte, hin zu Nion.
    Einen Moment lang richtete sich der junge Mann auf, die ersterbenden Augen zur Sonne gewandt. Seine Hände fielen von der Garrotte um seinen Hals ab. Als das Licht in seinen Augen erstarb, knickten seine Knie ein, und er fiel nach vorn in den Schlamm.
    Sie stand knietief in den Binsen. Ihr blaues Gewand war naß und klebte ihr am Körper, ihr gelöstes Haar fiel ihr über die Schultern. Sie rannte mit dem Gesichtsausdruck einer Wahnsinnigen auf ihn zu, die Arme erhoben, die Nägel gekrallt wie die eines Tieres.
    »Mögen die Götter dich bis in alle Ewigkeit verfluchen, Marcus Severus, und deinen fauligen Körper und deine verdorbene Seele richten für das, was du heute hier getan hast!«
    Als ihr Schrei durch den Sumpf hallte, stieg ein Schwärm Enten aus dem Schilf auf, schwang sich hoch in die Lüfte und flog auf die aufgehende Sonne zu, ein V aus glitzerndem Grün und Gold, als sie aufstiegen in das klare Licht des neuen Morgens.
    Greg rannte. Sein Atem verfing sich in seiner Brust und rasselte in seiner Kehle, als er seine Beine durch den weichen Sand vorantrieb. Der schwächer werdende Strahl der Taschenlampe schwang vor seinen stampfenden Füßen wild hin und her.
    »Allie!« Seine Rufe waren fast nicht zu hören. Seine Kehle war trocken, und er hatte nicht genug Luft, um laut zu schreien. »Allie, um Gottes Willen, wo bist du?«
    Das Meer kam näher. Seine Füße waren naß. An seinen Schuhen klebte Seetang. Er lief weiter. Bei jedem Schritt spritzte das Wasser in die Höhe, und er spürte, daß es ihm schon bis zu den Knien reichte, sich dann zurückzog und unter den nassen Kleidern die Kälte wie eine Brandwunde auf seinem Fleisch zurückließ. »Allie!« Er drehte ab und entfernte sich vom Meer, bis er spürte, daß seine den Strand entlang stapfenden Füße festeren Sand unter sich hatten. »Allie!«
    Der Mann war wieder verschwunden. Zweimal hatte er ihn kurz gesehen, ein Schatten inmitten der Dunkelheit, und beide Male hatte die Taschenlampe die Klinge des Messers gefunden.
    Stolpernd blieb er stehen und blickte sich um. Seine Brust hob und senkte sich, und er spürte, wie das Eis im Hagel an seiner Nase kratzte. Sein Gesicht fühlte sich wund an, als seien ihm mehrere Schichten Haut abgezogen worden. Er beugte sich nach vorn und machte einen Moment lang die Lampe aus, während er sich mit den Unterarmen auf die Schenkel stützte.
    Sein ganzer Körper krümmte sich von der Anstrengung, diese qualvollen, zitternden Atemzüge zu machen. Neben ihm donnerte wieder eine Welle auf den Strand, raste auf ihn zu, hielt erst unmittelbar vor ihm an und bespritzte ihn mit Gischt. Er richtete sich auf, seine Rippen waren eine Zwangsjacke des Schmerzes. Ohne den verengenden, eingrenzenden Lichtkegel der Taschenlampe hatte sich der Horizont plötzlich vergrößert. Die Dunkelheit war nicht mehr so vollkommen. Er konnte die verworrene, leuchtende Spitze des weißen Wassers auf der sich hebenden und senkenden Finsternis des Meeres sehen; er konnte das Glitzern des nassen Sandes sehen und wie das tiefe Umbra der Wolken sich über dem Wasser blähte.
    Sein Kopf dröhnte, und es verschlug ihm den Atem, als sein entsetzter Blick sich auf den Mann richtete, der jetzt nur etwa einen Meter von ihm entfernt wieder aufgetaucht war. Er konnte ihn deutlich sehen. Das ausgeprägte Patriziergesicht, das Haar vom Regen an die Stirn geklatscht, die durchnäßten Kleider am Körper klebend, der Unterarm in dunkleres Material gehüllt, darunter in der Faust der erhobene Dolch.
    ZORN HASS Bohrend, stoßend, sich ausdehnend wirbelte die Wut durch Gregs Hirn. Die Taschenlampe fiel ihm aus den Fingern, als er die Hände zu seinem Kopf hob in dem Versuch, sich von den Qualen zu befreien. Er taumelte zurück. Sein Fuß verfing sich in einem Klumpen gallertartigen Seetangs, rutschte aus und knickte um. Der plötzliche, stechende Schmerz in seinem Knöchel zwang ihn jäh auf ein Knie, und er spürte, wie seine Arme herumfuchtelten.
    Die Gestalt war plötzlich näher gekommen. Sie lächelte, und in den tiefliegenden Augenhöhlen, die den Bruchteil einer Sekunde leer zu sein schienen, funkelte es hell.
    Greg spürte, wie ihm die Luft abgeschnitten wurde. Er konnte das Aussetzen seiner Lungen fühlen. Erstarrt mühten sie sich, die Luft einzuatmen, die einfach nicht kam. Ihm