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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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für das, was du heute hier getan hast.
    Der Sieg war ihr gewiß: Claudia.
    »Was ist los mit ihr?« Pete blickte seinen Begleiter an.
    »Weiß der Himmel, aber das Kind erfriert bald.« Jon schlüpfte aus seiner Jacke und wickelte sie Alison um die Schultern. »Bringen wir sie zu diesem Cottage.«
    »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.«
    »Vielleicht nicht, aber wo sollen wir sie sonst hinbringen?«
    Die beiden Männer sahen sich einen Moment lang über Alisons gesenkten Kopf hinweg an. Sie konnte sie nicht hören. Er war jetzt da. Seine Wut glühte in ihrem Schädel.
    Das Grab. Zerstör das Grab!
    Schluchzend riß sie sich von Jons Arm los. Sie taumelte ein paar Schritte weit von ihm weg und trat gegen den schneebedeckten Sand. »Zerstör es!« Die Stimme, die von ihren Lippen kam, war kehlig; tief. Eine Männerstimme.
    Jon trat überrascht einen Schritt zurück. Dann nahm er seinen Verstand zusammen und ging wieder nach vorn, um die Jacke aufzuheben, die ihr von den Schultern gerutscht war, und sie wieder darin einzuwickeln. »Komm schon. Du mußt dich warm halten.« Seine Stimme zitterte vor Kälte.
    »Nein!« Sie schüttelte ihn mit Leichtigkeit ab. »Rühren Sie mich nicht an!« Sie warf die Jacke in den Schnee und sprang mit einem plötzlichen, letzten Aufwallen von Energie hinunter in die flache Vertiefung unterhalb der Düne. »Das Meer wird es sich bald holen.« Sie warf den Kopf zurück und lachte. »Endlich wird es das Meer holen! Zweitausend Jahre hat es gedauert, bis die Flut kommt, und heute macht sie reinen Tisch!« Sie stand da und starrte hinaus aufs Meer, die Haare aus der Stirn geweht, den Blick auf den Horizont geheftet. Jon und Pete, die überrascht schwiegen, starrten mit ihr übers Meer. Der Wind wurde von Osten her stärker, peitschte den Schnee über das Wasser, türmte die Wellen auf, schob das Meer weiter und weiter den Strand hinauf.
    »Alison!«
    Der Schrei erreichte sie kaum. Einen Moment lang reagierte keiner von ihnen, dann drehte Jon sich um. Drei Gestalten eilten auf sie zu, verloren sich fast im weißen Wirbel der Schneeflocken.
    »Kate?« Sein Herz hüpfte vor Freude, als Jon sie erkannte. Erleichterung, Freude, Sorge œ alle drei schienen um seinen Kopf herumzuwirbeln, als er auf sie zuging. Bei ihr war ein junger Mann als er genauer hinschaute, sah er, daß es ein Junge war œ und Anne.
    »Jon?« Vor Erstaunen blieb sie wie angewurzelt stehen.
    »Hallo.« Er lächelte und zuckte mit den Schultern. »Eine lange Geschichte.«
    Sie starrte ihn einen Moment lang an, überwältigt vor Erleichterung, wollte sich ihm in die Arme werfen, als ihr Blick an ihm vorbei wanderte und kurz bei Pete verharrte, bevor sie sich Alison zuwandte.
    »Allie? Allie, geht‘s dir gut?« Ihre Fragen an Jon hatten Zeit. Die Tatsache, daß er da war, hier am Strand im Schnee, war das Wichtigste. Sie trat hinter Patrick, der die Arme um seine Schwester geworfen hatte.
    Alison schüttelte ihn heftig ab, und verwirrt taumelte er zurück. »Wir haben sie verloren, Kate.« Tränen rannen ihm über das Gesicht. »Wir haben sie verloren. Sie ist nicht hier. Das ist nicht Alison.«
    »Allie!« Kate nahm Alisons Hand und rieb sie kräftig. »Allie, komm schon. Kämpf dagegen an. Bitte. Du mußt dagegen ankämpfen. Komm zurück zu uns!«
    »Was ist los mit ihr?« Pete trat einen Schritt vor.
    »Sie ist krank. Sie weiß nicht, was sie tut.« Kate schob sich die Haare aus dem Gesicht und begann, die Jacke über Alisons Brust zuzuknöpfen. »Wir müssen sie zurückbringen, raus aus dem Wind. Sie hat keine Kraft mehr.«
    »Ich hatte den Eindruck, daß sie noch eine ganze Menge Kraft hat.« Pete schnitt eine Grimasse. »Sie hätte Jon beinahe über den ganzen Strand gestoßen.«
    »Sehen Sie denn nicht, daß das nicht sie ist!« rief Kate. »Das ist nicht ihre Kraft. Er ist in sie gefahren. Er saugt sie aus. Wir müssen sie von hier wegbringen.«
    »Ich trage sie.« Jon verlor keine Zeit damit, sie zu fragen, wovon sie redete. Er hob Alison hoch, drehte sich um und begann, in Richtung Düne zu stapfen, den Wind im Rücken.
    Er fühlte den Moment, als die Kraft sie verließ. Er konnte spüren, wie sie dahinschwand, während er ging. Sie schien plötzlich leichter geworden zu sein œ in seinen Armen lag ein Bündel Knochen, wo er noch Augenblicke zuvor einen steifen, wütenden Körper getragen hatte. Er drückte sie enger an sich, schaute hinunter in ihr Gesicht, während er sie vor der Brust trug. Ihre Augen

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