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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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konnte. Einen Moment lang standen sie da und sahen sich in die Augen, und Diana wußte zum ersten Mal, daß Claudia sie so deutlich sehen konnte, wie sie Claudia sehen konnte.
    »Jesus, Maria und Joseph!« Die Worte waren aus ihrem Mund gekommen, noch bevor sie wußte, daß sie gesprochen hatte. »Was willst du?«
    Sie starrten sich noch den Bruchteil eines Moments lang an, dann war Claudia verschwunden.
    »Ma!« Gregs Stimme vom Fuße der Treppe klang dringlich. »Ma, komm schnell.«
    Diana wirbelte zurück zur Tür, wobei sie unbewußt registrierte, daß das Zimmer nach einem süßlichen, widerlichen Parfüm roch. »Was ist los? Was ist passiert?«
    »Er will dich sehen.« Greg humpelte vor ihr her in das Arbeitszimmer. Roger lag gegen die Kissen gelehnt da. Das Atmen fiel ihm schwer, und seine Wangen, die so lange farblos gewesen waren, zeigten krankhafthektische, rötliche Flecken.
    »Er ist hier, Di«, sagte er langsam. »Dieser Mistkerl ist hier, in diesem Zimmer. Es gibt ihn wirklich.«
    Diana blickte Greg an.
    »Marcus«, sagten Gregs Lippen. »Er hat Marcus gesehen.«
    Diana kniete sich seitlich neben das provisorische Bett und nahm Rogers Hand. »Er kann dir nichts tun, Liebling.«
    »Verdammt richtig. Ich kann ihm nichts bieten. Es sind die Kinder, die er will. Er will ihre Energie. Aber die kriegt er nicht.« Er packte Dianas Hand so fest, daß sie vor Schmerz zusammenzuckte. »Ich werde ihn auf seinem eigenen Gebiet bekämpfen.« Der Atem rasselte in seiner Kehle.
    »Roger -«
    »Damit hat er nicht gerechnet, was? Ich werde ihn jagen. Bis in die Hölle, wenn nötig.« Er blickte von seiner Frau zu seinem Sohn und zurück. »Keine Sorge. Ich bin nicht verrückt. Ich sterbe, aber verrückt bin ich nicht. Ich war nie gläubig. Bis jetzt habe ich weder an Himmel noch Hölle geglaubt, und auch nicht an Gott oder Satan. Aber durch diesen Mistkerl habe ich gelernt, daß es da draußen noch etwas gibt. Wenn seine Seele da weiterleben kann, so schwarz wie sie ist, dann kann meine das auch!« Er lachte schwach, und Diana vergrub neben ihm den Kopf in der Decke und versuchte, ihr Schluchzen zu unterdrücken. »Ich werde rausfinden, was das alles soll. Und wenn er zurückkommen kann, dann kann ich das auch. Ich werde wiederkommen, um es euch zu sagen.«
    »Dad -« Greg versuchte, ihn zu unterbrechen, aber Roger sprach weiter. Seine Worte wurden jetzt, da die Schmerzmittel zu wirken begannen, immer undeutlicher.
    »Nein, ich bin fest entschlossen. Ich werde rausfinden, warum sie ihn verflucht hat. Sie ist hier, im Haus. Sie war seine erste Frau. Sie ist gekommen, um mir zu helfen. Sie will, daß ich ihn finde. Ich kriege ihn. Ich werde gewinnen -«
    »Dad!« Greg kniete sich unbeholfen auf der anderen Seite des Bettes nieder. Er zuckte zusammen, als sein Fuß über den Boden schleifte. »Dad, sag sowas nicht.«
    »Warum nicht?« Roger drehte sich um und sah ihn an. Seine Augen leuchteten unnatürlich hell, aber sie waren völlig klar. »Nach dem, was der Mistkerl mit meiner Tochter gemacht hat, denkst du wohl, daß ich ihn einfach so davonkommen lasse?«
    »Nein, natürlich nicht, aber -«
    »Nichts aber. Ich bin fest entschlossen. Ich verfolge ihn. Eine Jagd. Eine ruhmreiche Jagd durch das Jenseits. Wie gefällt dir der Gedanke?« Es klang wie im Delirium, als er wieder lachte, während er Dianas Hand umklammert hielt. Dann begann er zu husten.
    »Roger -« Sie versuchte verzweifelt, ihn zu beruhigen. »Hol Wasser, Greg, schnell. Roger, Darling, bitte, beruhige dich. Das wird schon wieder.«
    »Red keinen Mist!« Er keuchte die Worte durch den nächsten Hustenanfall. »Tu mir den Gefallen und behandle mich wie einen Erwachsenen, Di. Ich weiß es. Du weißt es. Greg weiß es.« Er hielt inne, atemlos, und trank dankbar von dem Wasser, das Greg an seine Lippen hielt. »Danke, Sohn. Seht mal. Besser so, als monatelang in irgendeinem schrecklichen Hospiz dahinzusiechen. Ich liebe Redall. Alles hier. Ich bin hier geboren. Mein Vater wurde hier geboren. Viele Familien können das heutzutage nicht mehr von sich sagen. Ich wäre froh, wenn du oder Paddy es auch zu eurem Zuhause machen würdet. Dieser Ort steckt uns in den Knochen.« Er lächelte grimmig. »Wer weiß, vielleicht stammen wir ja sogar von Marcus ab. Ich bin mit Händen und Füßen an diesen Ort gebunden œ seine Geschichte habe ich im Blut.« Er sah Diana an. »Was ich versuche zu sagen, Liebes, und was ich nicht richtig hinkriege, ist, daß ich glücklich

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