Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Schwan. Zum dritten Mal heute. Schnell rief ich ein eiliges »und zwar in zwölf Minuten!« hinterher und landete in Trenchcoat und Turnschuhen so sanft wie möglich auf dem Sofa.
»Hallo!! Bella!«, keuchte ich atemlos, es schadete der Erotik in meiner Stimme sicher nicht, dass mir bei der kleinsten Bewegung die Luft wegblieb. Aber der Herr am anderen Ende der Leitung klang nicht, als wäre er an so etwas Trivialem wie Erotik interessiert.
»Guten Tag, Frau, äh, Bella. Tnff. Mein Name tut nichts zur Sache. Sagen wir: Adrian Müller. Nennen Sie mich Adrian. Ich brauche Ihre Hilfe.«
Die gleiche Angewohnheit, die Luft durch die Nase auszustoßen, hatte mein Musiklehrer in der Zehnten auch gehabt. Tnff. Bei dem passierte das immer automatisch, ungefähr nach jedem dritten Satz. Und genauso automatisch sah ich jetzt auch Herrn Frühauf vom Rosenheimer Gymnasium vor mir, Pfeife rauchend, mit einem Lockenkopf wie Art Garfunkel, Tränen in den Augen, weil wir gerade die »Morgenstimmung« von Edvard Grieg hörten.
»Sind Sie noch dran?«
Der Mann am anderen Ende klang so nüchtern und geschäftsmäßig, dass ich zackig antwortete: »Selbstverständlich! Was kann ich für Sie tun?«
»Ich habe ein Problem, und ich möchte zu Ihren Gunsten einmal annehmen, dass Sie und Ihresgleichen dafür eine Lösung parat haben.«
Sonderlich hilflos klang das nicht. Was wollte der? War der mit dem Auto liegen geblieben?
»Ich sitze hier mit einem leeren Glas …«
Aha, der suchte einen Bringservice!
»… und wenn ich diesen Raum verlasse, soll es mit meinem Ejakulat gefüllt sein.«
Ich war sicher, mich verhört zu haben.
»Bitte?«
»Versuchen Sie nicht – tnff –, Zeit zu schinden, hören Sie mir zu«, sagte Adrian ungeduldig. »Ich befinde mich hier in einer Fruchtbarkeitsklinik, in welcher, tut nichts zur Sache, angeblich die Beste, aber wer kann das schon so genau sagen, sind doch alles Betrüger in diesen Privatkliniken, tnff. Ich soll mein Sperma abgeben, um den Prozess der künstlichen Befruchtung weiterführen zu können. Und die Hilfsmittel, die mir hier zur – tnff – Verfügung stehen, sind, gelinde gesagt, abschreckend.«
»Bekommen Sie Geld dafür?«, fragte ich zurück und verscheuchte das Bild von Herrn Frühauf, der mit einem Porno auf dem Notenständer versuchte, als Samenspender sein Studienratsgehalt aufzupeppen.
»Würde ich das dann gleich mit einem unseriösen Anruf verjubeln?«, blaffte mich Adrian an. »Es geht hier nicht um Geld, es geht um Kinder. Besser gesagt um meine Freundin, die sich um jeden Preis ein Kind wünscht. Tnff! Und mehr werde ich hier von meinem Privatleben sicher nicht preisgeben! Ich bin hier Kunde und nicht Sie!«
Okay. Der war offensichtlich nicht gewohnt, dass ihm jemand widersprach, aber Unterwürfigkeit brachte so einen sicher nicht in Wallung. Na gut, dachte ich, dann drehen wir den Spieß doch mal um, und ranzte in meinem unfreundlichsten Tonfall: »Klappe! Ich kann hier fragen, so viel ich will!«
Ha. Kein Widerspruch. Nur: »Tnff!«
Ich schimpfte weiter: »Sie kriegen wohl keinen hoch in Ihrem Kämmerchen, was? Das ist nicht gut! Schämen Sie sich!«
»Tnff, tnff!«
»Ich werde sehr, sehr böse mit Ihnen werden, wenn Sie nicht tun, was die Ärzte von Ihnen verlangen!«
»Tnff, tnff, tnff!«
Das Taxi musste keine zwölf Minuten warten.
23
In meinem Unterleib klang es wie auf der Pferderennbahn.
Pchpchpchpchpchpch!
Puckerpuckerpuckerpuckerpucker!
Die Herztöne! Dieser sagenhaft lebendige Trommelwirbel stahl sofort mein ganzes Herz, und so hatte ich einfach die Hand der Ärztin genommen und festgehalten. War ja sonst keiner da, und es gibt Dinge im Leben, da muss man einfach die Hand von jemandem halten. Aber Frau Doktor Casper hatte mir ihre Rechte entzogen, um mit ihrer Ultraschallmaus über meinen glitschig eingecremten Bauch zu fahren und etwas zu vermessen. Klick. Klick. Die Ärztin haute unwirsch auf eine Entertaste unter dem Bildschirm des Ultraschallgeräts. »Das gefällt mir nicht«, schüttelte sie dann den Kopf und trug eine Millimeterzahl in den hellblauen Mutterpass ein, den ich jetzt besaß, »die Versorgung beider Babys ist optimal, aber solange Ihre Cervix noch so weit geöffnet ist, bleiben Sie da, wo Sie die letzten Wochen hoffentlich auch waren: auf dem Sofa oder im Bett. Sind Sie heute alleine hier? Wo ist denn der Papa?«
»Mein Vater weiß noch gar nichts davon, und außerdem wohnen meine Eltern in Oberbayern«, verstand ich
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