Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Josef schnell: »Du kennst dich doch da aus. Welche Ausdrücke für Penis weißt du noch?«
»Na ja, Dingdong, Dick, Digga, Dödel …«
»Josef, ich will Telefonsex machen und nicht Kabarett! Hast du nicht früher deine Bettgefährten gewechselt wie deine Bruno-Banani-Strings? Ich will gar nicht wissen, wie viele von diesen Dingdongs du schon sonstwo gehabt hast! Pullermann, Pint, Pimmel, das ist alles nicht erotisch, streng dich mal ein bisschen an!«
»Also gut«, konzentrierte sich Josef. »Schwanz geht immer, das ist der Klassiker für alle Lebenslagen. Richtig versaut wäre dann Fickmaschine, Rammbock, Superspritzer oder Ähnliches.«
»Igitt, das würde ich nie über die Lippen bringen! Kann man nicht etwas liebevoller mit einem so wichtigen Organ umgehen? Und sich von Filmen inspirieren lassen? Und ihn Rambo nennen zum Beispiel? Oder – Gladiator? King Kong? Dirty Harry? Was hältst du zum Beispiel von Mr. Big wie in ›Sex in the City‹?«
»Mr. Big? Also – wenn jemand mein gutes Stück Mr. Big nennen würde, das fände ich schon okay! Oder: Ben Hur? Na ja. Aber: Moby Dick! Was ist denn mit Tiernamen? Grizzly, Maulwurf … Hans-Jürgen, komm doch mal, hier wird es gerade interessant! Was sagst du? Big Mac?«
Alles in allem wurde es dann doch noch ein ziemlich ergiebiges Brainstorming.
22
Der nächste Dienstag fühlte sich anfangs nicht anders an als die Tage davor, nur dass ich begeistert feststellte, dass der ewige Knoblauchgeschmack allmählich nachzulassen schien. Seit meiner Entlassung aus der Charité hatte ich die Wohnung nur zweimal zum Ultraschall verlassen, und mein Nest unter dem Dach müllte immer mehr zu. Das für einen Euro ersteigerte Schwanentelefon stand auf dem Couchtisch und wartete auf seinen Einsatz. Und heute sollte das Warten ein Ende haben. Um eine gemischte Klientel zu erreichen, hatte ich erst einmal in der »zitty« und in der »Berliner Morgenpost« inseriert, studentisches Stadtmagazin und Tageszeitung schien mir eine vernünftige Mischung. Ich schnappte mir eine Packung Zwieback, drehte mit einem sanften Schmatz ein neues Nutellaglas auf und krümelte aufgeregt vor mich hin. Aber es passierte erst einmal nichts. Eine Stunde: nichts. Zwei Stunden, das Nutella-Messer kratzte schon unten am Glasboden: nichts. Das ist ganz normal, dachte ich und fischte in der Zwiebacktüte vergeblich nach den letzten Krümeln, solange nur einer anruft, bevor mir abends wieder schlecht wird. Ob ich vielleicht nicht » 9 – 12 Uhr und 14 – 18 Uhr« hätte dazuschreiben sollen? Ich sollte nicht gleich am Anfang rüberkommen wie ein Meldeamt! Und was, wenn als Erstes eine Frau anrufen würde oder ein total Perverser? Oder meine Mutter? Wer garantierte mir denn, dass der Telefonmann letzte Woche die Weichen für die zweite Leitung ordentlich gelegt hatte? Und was, wenn ich Schluckauf bekommen würde? Warum war ich nicht auf die Idee gekommen, Josef zur Probe anrufen zu lassen? Und was sollte ich tun gegen Hintergrundgeräusche? Zum Beispiel dieses Schnattern? Ganz schön laut, mein Fernseher war aus, das musste also aus der Nachbarwohnung kommen.
Aber wieso Nachbarwohnung? Es war der Schwan! Der Schwan klingelte! Mein erster Anrufer! Ich zuckte zusammen und starrte auf den Apparat, als wäre er ein schleimiges Monster. O Gott. Ausgeschlossen, dass ich da jetzt abheben würde. Aber die Ziegen? Cesare? Meine Firma? Die Zukunft meiner Familie, aus wie vielen Mitgliedern sie letztendlich auch bestehen würde? Zweihundert Tage waren es noch bis zum Geburtstermin. Wenn ich in dieser Zeit pro Tag dreißig Anrufer à zwölf Minuten schaffen würde, dann wäre alles gut. Und wenn ein paar Jungs so doof wären, mich vom Handy aus anzurufen, dann würde es noch schneller gehen. So viel Geld konnte mir kein Job im Callcenter verschaffen und auch nicht meine Kinderklamotten. Die konnte ich zwar hier auf dem Sofa weiter entwerfen, aber das war auch alles. Und verglichen mit meinem Finanzbedarf war das Stricken kein Beruf mehr, sondern wieder ein nettes Hobby wie früher.
Räääb räääb räääb.
Wollte ich mit dem Gefühl leben, jetzt nicht den Mumm für den entscheidenden Schritt gehabt zu haben? Aber war das vielleicht ein Schritt in den Abgrund? In ein Milieu, in dem Agenturen wie Galaxy Erotik herrschten und in der ich unter die Räder kommen würde? Ich war schließlich inzwischen für zwei Babys in spe verantwortlich! Ich zupfte mir nervös am Ohrläppchen, wie immer, wenn mir etwas
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