Erste Male
T-Shirt-Sprüche wie I’M NOT AS THINK AS YOU DRUNK I AM unter die Leute bringt. Wenn ich nach Hause komme, ekle ich mich so vor mir selbst, dass ich nirgendwo mehr hingehe, nichts mehr unternehme. Ich bin sowieso total müde und schon eingeschlafen, wenn ich die Matratze nur sehe. Ist das zu glauben?
In den ersten paar Wochen habe ich schrecklich gemault und gejammert, weil mir der Frondienst für die Touristentyrannen überhaupt keine Erholungszeit lässt. Ganz zu schweigen davon, dass ich mich bei jeder Schicht gegen die Anmache notgeiler Mitarbeiter wehren muss. Jeden Augenblickfragt mich irgendein ungewaschener Ungar mit unaussprechlichem Namen ohne jeden Vokal, ob ich schon vergeben bin. (Die Antwort lautet natürlich immer Ja .)
Fast hätte ich gekündigt, im vollen Bewusstsein, dann in den Fängen meiner Mutter zu landen, die verzweifelter denn je Gesellschaft sucht. Gut, dass ich doch lange genug durchhielt, um das dickste Plus des Jobs zu ernten: Ich bin automatisch von jeder gesellschaftlichen Verpflichtung befreit, ohne dadurch ungesellig zu wirken.
Praktisch die gesamte Schülerschaft der Pineville High arbeitet an der Promenade. Ich kriege also meine Mitschüler täglich zu Gesicht, ohne dass ich wirklich mit ihnen abhängen muss. Manda arbeitet bei Winning Wally’s Arcade hinterm Tresen. Soweit ich das beurteilen kann, kriegt sie ihr Geld dafür, mit den Skatern zu flirten, die total auf Skee-Ball stehen, aber zu blöd sind, den Geldwechselautomaten zu bedienen, und deshalb von ihr Vierteldollars bekommen – und ihre Telefonnummer. Scotty nimmt sein Leben in die Hand und arbeitet an der Wurfbude Beer Bust (besoffene Idioten + Softbälle + Bierflaschen = früher Tod garantiert) auf der Funtown Pier . Burke bedient die Himalaja-Achterbahn und fährt uns alle gegen Benzingeld mit dem Auto zur Arbeit. Sara hat’s natürlich nicht nötig, in einem der Promenadengeschäfte ihres Vaters zu arbeiten, ist aber trotzdem vierzig Stunden die Woche da, nur um uns dran zu erinnern, dass wir arbeiten müssen und sie nicht.
Die Einzigen, die ich in letzter Zeit nicht gesehen habe, sind die Glücklichen, die den Sommer in exotischeren Gefilden verbringen.
Nachricht aus heiterem Himmel: Bridget verbringt den ganzen Sommer bei ihrem Dad in L. A. und hofft – aufgepasst! – Schauspielerin zu werden. Unfassbar. Dass ihreschauspielerische Erfahrung sich darauf beschränkt, über Witze zu lachen, die sie offensichtlich nicht versteht, bekümmert sie kein bisschen.
»Bridge, du hast doch noch nicht mal beim Schultheater mitgespielt«, hielt ich ihr vor.
»Weiß ich auch«, antwortete sie. »Aber wie viel muss man wohl können, um irgendwie in so einer billigen Sitcom mitzuspielen?«
Auch wieder richtig. Also ließ ich es dabei. Nichts liegt mir ferner, als ihren Traum zerstören zu wollen. Wahrscheinlich war ich eher neidisch, dass sie Pineville den Sommer über entrinnen konnte, als dass sie Ruhm und Reichtum ernten könnte. (Sollte ich allerdings in irgendeiner blöden Infotainment-Sendung mal als »Jessica Darling, Bridgets Freundin aus Kindertagen« bezeichnet werden, gebe ich mir die Kugel.) Ich hatte keine Ahnung, dass sie so was ernsthaft vorhat. Das beweist nur, wie planetenweit ich mich inzwischen von meiner früheren Freundin entfernt habe. Ich nehme an, sie empfand das genauso. Darum war die Bitte, die sie kurz vor Abflug an mich richtete, noch viel seltsamer als ihre Westküsten-Glückssuche.
»Jess, du musst mir einen Gefallen tun.«
Hm. Das letzte Mal, als ich jemandem einen Gefallen getan hatte, wäre ich deswegen beinahe von der Schule geflogen. Aber ich hatte schon »klar« gesagt, bevor ich überhaupt nachdenken konnte. Ich glaube, nicht bloß der Hammer mit ihrer drohenden Leinwandkarriere, sondern allein schon die Tatsache, dass sie in meinem Zimmer stand, hatte mich aus dem Konzept gebracht. Sie war ungefähr zwei Jahre nicht mehr hier gewesen.
»Ich weiß ja, dass Burke euch alle den ganzen Sommer mit zur Promenade nimmt, und da …« Sie zögerte.
»Was denn? Was ist los?« Ich wurde langsam nervös.
Sie zog ihr hübsches kleines Näschen kraus. Ihre Nase ist so winzig, dass ich meine Zweifel habe, ob sie überhaupt benutzbar ist. Durch diese mikroskopisch kleinen Nasenlöcher kann doch gar keine Luft strömen. Die Nase ist bloß zum Angucken. Würde auf der Leinwand bestimmt saugut aussehen. So ein Stupsnäschen könnte man sogar in einem IMAX-Kino vorführen, ohne sich wegen
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