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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manu Ungefrohrn
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von den übrigen, denn sie war unsere Königin. Der Stoff ihrer Robe war an den Säumen mit Goldfäden gekettelt und sollte ihre Macht betonen.
    Ich bewunderte meine Ziehmutter über alle Maßen für ihre Weitsicht und ihre Liebe dem Zirkel gegenüber. Ich liebte sie, wie ein Kind die eigene Mutter lieben sollte. Und ich spürte jeden Tag, dass sie diese Gefühle vollkommen und ohne Vorbehalte erwiderte. Ich war ihre Tochter. Und Gwydion war ihr Sohn.
    Dieser stand neben mir und griff meine Hand, um sie liebevoll und ermutigend zu drücken. Er war mein Bruder. Von ganzem Herzen.
    Wir hatten uns um Patricia Caughleigh versammelt und erwarteten ihre Worte.
    Als sie die Arme hob und zum Sprechen ansetzte, war es schneidend still im Raum.
      „Meine Treuen, meine Lieben – meine Kinder“, begann sie, und ein erstauntes Raunen ging durch die Menge, da sie niemals Kinder erwähnte. „Heute ist ein sehr besonderer Tag für uns alle“, sprach Patricia feierlich. „Zunächst muss ich euch allen mitteilen, dass etwas Wundervolles geschehen ist: Carys Olwyn hat sich bei den Elfen vollkommen gewandelt und ist als mein Fleisch und Blut, als meine Tochter in unser Rosewood Hall zurückgekehrt!“ Sie streckte die Hand nach mir aus. „Komm zu mir, Carys Olwyn!“
    Ich ignorierte die schnippischen Laute, die Isobel und Lisa, die nebeneinander standen, von sich gaben. Hoch erhobenen Hauptes schritt ich auf die Köni gin zu und blieb erwartungsvoll vor ihr stehen.
    Sie setzte meine Kapuze ab und lächelte innig. „Du bist meine Tochter, eine Thrylia. Magst du uns allen deine wahre Gestalt zeigen?“
    Ich musste kichern, weil mich plötzlich eine unbändige Freude ergriff. Ich löste den Haken, der meinen Umhang zusammengehalten hatte, und ließ die Robe an meinem nackten Körper zu Boden gleiten.
      „Dreh dich um, Carys Olwyn, zeig uns, wer du bist!“ Patricia lachte warm und herzlich.
    Ich drehte ihr meinen Rücken zu und blickte nun direkt in Nathaniels schönes, aber angespanntes Gesicht.
    Er hatte mich noch nie nackt gesehen, und mir schoss der frivole Wunsch durch den Kopf, dass ihm gefiel, was er sah.
    Seine Augen verdunkelten sich, während er mich betrachtete, und ich entdeckte, dass er die Zähne fest zusammenbiss.
    Nun hob ich meine Hände ein wenig und ließ sie leuchten. Das helle, violette Licht breitete sich über meinen ganzen Körper aus und betonte meine Augenfarbe.
    Ich strahlte, als ich meine Flügel spürte, wie sie aus meinem Rücken herauswuchsen und immer größer wurden, bis sie die Spannweite von drei Metern erreicht hatten. Ich breitete sie zur vollen Größe aus und vernahm nur vage das bewundernde Staunen des Zirkels.
    Ich rief in Gedanken den Wind zu mir und ließ ihn neckisch in meinem Haar zausen, bis er sich schließlich um mich legte und mich vom Boden hob. Ich löste meinen Blick von Nathaniel und blickte auf Gwydion. Gwyn , hauchte ich in meinen Gedanken. Du bist mein Bruder, du musst hier bei mir sein! Komm zu mir!
    Und Gwydion breitete seine wunderschönen, in einem hellen Grün leuchtenden Flügel aus und kam zu mir. Er schwebte neben mir in der Luft und nahm meine Hand, während wir uns glücklich strahlend ansahen.
      „Das, meine Treuen, sind meine Kinder“, sprach Patricia mit klarer, stolzer Stimme. „Sie nehmen in unserem Zirkel einen gesonderten Stellenwert ein: sie stehen über Nathaniel Hartscombe, dem Vizekönig und mein Stellvertreter, mit mir auf einer Stufe!“
    Gwydion und ich sanken geschmeidig zu Boden. Ich fand meine Landung besonders elegant und spürte die Macht, die meine Königin mir soeben übertragen hatte, in mir sehr deutlich tosen.
    Nathaniel war einen Schritt vorgetreten und hatte meinen Umhang vom Boden aufgehoben. Nun stand er dicht vor mir und legte ihn um meine Schultern, als ich wieder meine menschliche Gestalt angenommen hatte. Dabei war er darauf bedacht, mich nicht zu berühren und nicht direkt anzusehen.
    Seine Hände zitterten leicht, als er den Haken an meinem Gewand schloss. Nun hob er doch den Blick und sah mir offen in die Augen. „Du bist ein wunderschönes Wesen, Carys Olwyn Parker“, sprach er laut. Seine Stimme streichelte meine Seele ebenso wie sein Blick. „Es wird mir eine Ehre sein, eine willkommene Pflicht, auf dich Acht zu geben wie auf die Königin!“
      „Ich danke dir, Nathaniel Hartscombe“, entgegnete ich und senkte meinen Blick auf seinen Mund, um diesen schönen Augen zu entkommen.
      „Oh, es spricht“, bemerkte

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