Erwachen
ihr, hatte seine Hand auf ihrer Schulter liegen.
„Nan“, flüsterte ich. „Dich trifft ja wohl keine Schuld! Ich war einfach zu langsam, und ein Zauber ist mir auf die Schnelle auch nicht eingefallen.“
Nannette sah zum See und flüsterte fremde Worte, doch ich verstand sie. Sie versiegelte den See und umgab ihn mit einem Schutzzauber, so dass niemand mehr von diesen Kreaturen angelockt werden konnte.
„Carys“, raunte Emrys in mein Haar. „Bei Gott, wenn wir dich verloren hätten…“ Er drückte mich fester an seine Brust und ich vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge.
Nannette wandte sich zu uns um und betrachtete uns, das spürte ich durch die geschlossenen Augen. „Ihr alle seid Freunde von meiner geliebten Enkelin“, begann sie und all ihre Zuneigung durchströmte die Grotte. „Seht auf die beiden, die sich lieben, aber nicht lieben dürfen.“
Ceridwen hatte geweint, das hörte ich an ihrer Stimme. „Warum dürfen sie nicht zusammen sein? Du hast es mir nicht verraten.“ Ein kleiner Vorwurf schwang in ihrer Stimme mit.
„Patricia ist eure Königin, sie macht die Gesetze auf Rosewood Hall“, entgegnete Nannette leise.
„Heißt das, Emrys und Carys dürfen woanders zusammen sein?“ fragte Gwydion verblüfft.
Ich drehte meinen Kopf, so dass ich Nannette ansehen konnte und weiterhin von Emrys fest gehalten wurde.
„Patricia würde nicht zulassen, dass beide Rosewood Hall lebend verlassen“, gab Nannette zu bedenken. „Aber, ja, Gwyn, woanders ist es nicht verboten, dass zwei Thrylien zusammen sind.“
„Warum?“ fragte ich leise und verstört.
Nannette blickte mich an. „Du hast es mir selbst erzählt und gezeigt. Du hättest die Antwort bereits kennen können, wenn du deine Umwelt eher erkannt hättest.“ Sie zeigte um sich herum. „Rosewood Hall ist voller Magie und den magischen Kreaturen, die es bewohnen. Patricia liebt und verehrt das – aber sie hasst Menschen.“
„Das Dorf“, wisperte ich.
Nannette nickte. „Ja, sie beutet die Menschen aus, schröpft sie. Sie hasst Menschen abgrundtief.“
„Thrylien werden doch nicht zu Menschen, wenn sie sich lieben“, bemerkte Katheryne verwirrt.
„Aber wir zeugen Menschen“, sprach ich laut.
Schweigen.
Ich hob meinen Kopf und blickte in Emrys‘ schönes Gesicht. „Die Vorstellung, dein Baby in meinen Armen zu halten, ist überwältigend. Mir wäre es vollkommen gleichgültig, ob es ein Mensch ist.“
Emrys‘ Augen wurden undurchdringlich, als er flüsterte:
„Während wir nahezu ewig leben, wären wir dazu verdammt, unsere Kinder altern zu sehen und letztendlich zu Grabe zu tragen, Carys.“
Dieser Gedanke schnürte mir die Kehle zu und Tränen rannen über meine Wangen. Hatte ich eben noch Bilder von kleinen süßen Kindern, die in unserem Garten spielten, vor Augen gehabt, so sah ich jetzt einen geöffneten Sarg vor mir, in dem eine alte faltige Frau lag, während ich die Totenwache für meine Tochter hielt.
Gabriel durchschritt die Grotte, kam zu mir und kniete sich hin. „Es spielt keine Rolle, ob ihr Menschenkinder haben werdet. Fakt ist, dass Patricia aus Willkür Menschen ausbeutet und knechtet und ihr eigenes Thryliakind lieber getötet hat, als Gefahr zu laufen, dass der eigene Stammbaum besudelt wird!“
Dougal murrte:
„Es wird Zeit für einen Machtwechsel!“
Gwydion nickte finster. „Ja, es wird Zeit!“
∞∞∞
Ich stand am Fenster und blickte hinaus zu der Gruppe von Männern, die sich wie zufällig im Garten getroffen hatten.
Nannette stand ebenfalls am Fenster und sah hinaus, während Ceridwen und Katheryne auf einem der Sofas saßen.
„Warum müssen wir hier im Salon ausharren, statt mit ihnen da draußen zu sein?“ schmollte Ceridwen.
Nannette verkniff sich ein Lachen, wurde dann ernst. „Weil es so aussieht wie eine unverfängliche Männerrunde. Wir würden sie eh nur offensichtlich anschmachten.“
„Das tut ihr zwei nun vom Fenster aus“, merkte Katheryne an.
Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich Emrys beobachtete. „Ich schmachte Emrys nicht an, Kitty. Ich nutze nur jede Gelegenheit vor meinem unvermeidlichen Tod, um ihn zu betrachten. Verzeih.“
„Du wirst nicht sterben!“ zischte Ceridwen aufgebracht.
Nannette wandte sich vom Fenster ab und setzte sich meinen Freundinnen gegenüber. „Doch, Liebes, Carys wird ganz ohne Zweifel übermorgen sterben.“
Katheryne schüttelte den Kopf. „Warum tun wir nichts
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