Erzählungen
Unannehmlichkeiten erträglich machen müsse, die
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er ihr in seinem gegenwärtigen Zustand nun einmal zu verur-
sachen gezwungen war.
Schon am frühen Morgen, es war fast noch Nacht, hatte
Gregor Gelegenheit, die Kraft seiner eben gefaßten Entschlüs-
se zu prüfen, denn vom Vorzimmer her öffnete die Schwester,
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fast völlig angezogen, die Tür und sah mit Spannung herein.
Sie fand ihn nicht gleich, aber als sie ihn unter dem Kanapee
bemerkte - Gott, er mußte doch irgendwo sein, er hatte doch
nicht wegfliegen können - erschrak sie so sehr, daß sie, ohne
sich beherrschen zu können, die Tür von außen wieder zu-
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schlug. Aber als bereue sie ihr Benehmen, öffnete sie die Tür
sofort wieder und trat, als sei sie bei einem Schwerkranken
oder gar bei einem Fremden, auf den Fußspitzen herein. Gre-
gor hatte den Kopf bis knapp zum Rande des Kanapees vorge-
schoben und beobachtete sie. Ob sie wohl bemerken würde,
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daß er die Milch stehen gelassen hatte, und zwar keineswegs
aus Mangel an Hunger, und ob sie eine andere Speise herein-
bringen würde, die ihm besser entsprach? Täte sie es nicht von
selbst, er wollte lieber verhungern, als sie darauf aufmerksam
machen, trotzdem es ihn eigentlich ungeheuer drängte, un-
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term Kanapee vorzuschießen, sich der Schwester zu Füßen zu
werfen und sie um irgendetwas Gutes zum Essen zu bitten.
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Franz Kafka: Erzählungen
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Aber die Schwester bemerkte sofort mit Verwunderung den
noch vollen Napf, aus dem nur ein wenig Milch ringsherum
verschüttet war, sie hob ihn gleich auf, zwar nicht mit den
bloßen Händen, sondern mit einem Fetzen, und trug ihn hin-
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aus.
Gregor war äußerst neugierig, was sie zum Ersatz bringen
würde, und er machte sich die verschiedensten Gedanken
darüber. Niemals aber hätte er erraten können, was die
Schwester in ihrer Güte wirklich tat. Sie brachte ihm, um sei-
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nen Geschmack zu prüfen, eine ganze Auswahl, alles auf einer
alten Zeitung ausgebreitet. Da war altes halbverfaultes Gemü-
se; Knochen vom Nachtmahl her, die von festgewordener
weißer Sauce umgeben waren; ein paar Rosinen und Mandeln;
ein Käse, den Gregor vor zwei Tagen für ungenießbar erklärt
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hatte; ein trockenes Brot, ein mit Butter beschmiertes und
gesalzenes Brot. Außerdem stellte sie zu dem allen noch den
wahrscheinlich ein für allemal für Gregor bestimmten Napf, in
den sie Wasser gegossen hatte. Und aus Zartgefühl, da sie
wußte, daß Gregor vor ihr nicht essen würde, entfernte sich
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eiligst und drehte sogar den Schlüssel um, damit nur Gregor
merken könne, daß er es so behaglich machen dürfe, wie er
wolle. Gregors Beinchen schwirrten, als es jetzt zum Essen
ging. Seine Wunden mußten übrigens auch schon vollständig
geheilt sein, er fühlte keine Behinderung mehr, er staunte
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darüber und dachte daran, wie er vor mehr als einem Monat
sich mit dem Messer ganz wenig in den Finger geschnitten,
und wie ihm diese Wunde noch vorgestern genug weh getan
hatte.
"Sollte ich jetzt weniger Feingefühl haben?", dachte er und 30
saugte schon gierig an dem Käse, zu dem es ihn vor allen
anderen Speisen sofort und nachdrücklich gezogen hatte.
Rasch hintereinander und mit vor Befriedigung tränenden
Augen verzehrte er den Käse, das Gemüse und die Sauce; die
frischen Speisen dagegen schmeckten ihm nicht, er konnte
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nicht einmal ihren Geruch vertragen und schleppte sogar die
Sachen, die er essen wollte, ein Stückchen weiter weg. Er war
schon längst mit allem fertig und lag nun faul auf der gleichen
Stelle, als die Schwester zum Zeichen, daß er sich zurückzie-
hen solle, langsam den Schlüssel umdrehte. Das schreckte ihn
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sofort auf, trotzdem er schon fast schlummerte, und er eilte
wieder unter das Kanapee. Aber es kostete ihn große Selbst-
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Franz Kafka: Erzählungen
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überwindung, auch nur die kurze Zeit, während welcher die
Schwester im Zimmer war, unter dem Kanapee zu bleiben,
denn von dem reichlichen Essen hatte sich sein Leib ein wenig
gerundet und er konnte dort in der Enge kaum atmen. Unter
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kleinen Erstickungsanfällen sah er mit etwas hervorgequolle-
nen Augen zu, wie die nichtsahnende Schwester mit einem
Besen nicht nur die Überbleibsel zusammenkehrte, sondern
selbst die von Gregor gar nicht berührten Speisen,
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