Erzählungen
sich von den Frauen bis zur Türe führen, winkte ihnen dort ab und ging nun selbständig
weiter, während die Mutter ihr Nähzeug, die Schwester ihre
Feder eiligst hinwarfen, um hinter dem Vater zu laufen und
ihm weiter behilflich zu sein.
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Wer hatte in dieser abgearbeiteten und übermüdeten Fami-
lie Zeit, sich um Gregor mehr zu kümmern, als unbedingt nötig
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Franz Kafka: Erzählungen
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war? Der Haushalt wurde immer mehr eingeschränkt; das
Dienstmädchen wurde nun doch entlassen; eine riesige kno-
chige Bedienerin mit weißem, den Kopf umflatterndem Haar
kam des Morgens und des Abends, um die schwerste Arbeit zu
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leisten; alles andere besorgte die Mutter neben ihrer vielen
Näharbeit. Es geschah sogar, daß verschiedene Familien-
schmuckstücke, welche früher die Mutter und die Schwester
überglücklich bei Unterhaltungen und Feierlichkeiten getragen
hatten, verkauft wurden, wie Gregor am Abend aus der allge-
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meinen Besprechung der erzielten Preise erfuhr. Die größte
Klage war aber stets, daß man diese für die gegenwärtigen
Verhältnisse allzu große Wohnung nicht verlassen konnte, da
es nicht auszudenken war, wie man Gregor übersiedeln sollte.
Aber Gregor sah wohl ein, daß es nicht nur die Rücksicht auf
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ihn war, welche eine Übersiedlung verhinderte, denn ihn hätte
man doch in einer passenden Kiste mit ein paar Luftlöchern
leicht transportieren können; was die Familie hauptsächlich
vom Wohnungswechsel abhielt, war vielmehr die völlige Hoff-
nungslosigkeit und der Gedanke daran, daß sie mit einem
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Unglück geschlagen war, wie niemand sonst im ganzen Ver-
wandten- und Bekanntenkreis.
Was die Welt von armen Leuten verlangt, erfüllten sie bis
zum äußersten, der Vater holte den kleinen Bankbeamten das
Frühstück, die Mutter opferte sich für die Wäsche fremder
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Leute, die Schwester lief nach dem Befehl der Kunden hinter
dem Pulte hin und her, aber weiter reichten die Kräfte der
Familie schon nicht. Und die Wunde im Rücken fing Gregor wie
neu zu schmerzen an, wenn Mutter und Schwester, nachdem
sie den Vater zu Bett gebracht hatten, nun zurückkehrten, die
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Arbeit liegen ließen, nahe zusammenrückten, schon Wange an
Wange saßen; wenn jetzt die Mutter, auf Gregors Zimmer
zeigend, sagte: "Mach' dort die Tür zu, Grete", und wenn nun Gregor wieder im Dunkel war, während nebenan die Frauen
ihre Tränen vermischten oder gar tränenlos den Tisch anstarr-
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ten.
Die Nächte und Tage verbrachte Gregor fast ganz ohne
Schlaf. Manchmal dachte er daran, beim nächsten Öffnen der
Tür die Angelegenheiten der Familie ganz so wie früher wieder
in die Hand zu nehmen; in seinen Gedanken erschienen wieder
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nach langer Zeit der Chef und der Prokurist, die Kommis und
die Lehrjungen, der so begriffstützige Hausknecht, zwei, drei
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Freunde aus anderen Geschäften, ein Stubenmädchen aus
einem Hotel in der Provinz, eine liebe, flüchtige Erinnerung,
eine Kassiererin aus einem Hutgeschäft, um die er sich ernst-
haft, aber zu langsam beworben hatte - sie alle erschienen
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untermischt mit Fremden oder schon Vergessenen, aber statt
ihm und seiner Familie zu helfen, waren sie sämtlich unzu-
gänglich, und er war froh, wenn sie verschwanden.
Dann aber war er wieder gar nicht in der Laune, sich um
seine Familie zu sorgen, bloß Wut über die schlechte Wartung
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erfüllte ihn, und trotzdem er sich nichts vorstellen konnte,
worauf er Appetit gehabt hätte, machte er doch Pläne, wie er
in die Speisekammer gelangen könnte, um dort zu nehmen,
was ihm, auch wenn er keinen Hunger hatte, immerhin ge-
bührte. Ohne jetzt mehr nachzudenken, womit man Gregor
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einen besonderen Gefallen machen könnte, schob die Schwes-
ter eiligst, ehe sie morgens und mittags ins Geschäft lief, mit
dem Fuß irgendeine beliebige Speise in Gregors Zimmer hin-
ein, um sie am Abend, gleichgültig dagegen, ob die Speise
vielleicht nur verkostet oder - der häufigste Fall - gänzlich
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unberührt war, mit einem Schwenken des Besens hinauszu-
kehren. Das Aufräumen des Zimmers, das sie nun immer a-
bends besorgte, konnte gar nicht mehr schneller getan sein.
Schmutzstreifen zogen sich die Wände entlang, hie und da
lagen Knäuel von Staub und Unrat. In der ersten Zeit
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