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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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Schwerkranker liegen mußte! – wie hatte er es nur nicht gleich am ersten Abende gewußt? Heute sah er ein, daß es gar nicht anders sein konnte. – Ein Wagen fuhr vor; Albert stürzte hinüber, er sah einen Herrn aussteigen, der nur der Arzt sein konnte, und im Tor verschwinden. Albert blieb ganz nahe stehen, um das Herunterkommen des Arztes abzuwarten in der unbestimmten Hoffnung, von dessen Zügen etwas ablesen zu können ... Er stand einige Minuten ganz unbeweglich, und dann begann der Erdboden mit ihm langsam auf und nieder zu gehen. Da merkte er, daß ihm die Augen zugefallen waren; und wie er sie öffnete, war ihm, als hätte er schon Stunden lang da geträumt und wachte nun erfrischt auf. Daß sie schwer krank war, konnte er glauben, aber gefährlich, nein ... So jung, so schön und so geliebt ... Und plötzlich schoß ihm wieder das Wort: »Kopftyphus« durch den Sinn ... Er wußte nicht recht, was das eigentlich war. Er erinnerte sich, es zuweilen im Verzeichnis der Verstorbenen als Todesursache gelesen zu haben. – Er stellte sich jetzt ihren Namen gedruckt vor, dazu ihr Alter, und dazu »gestorben am 20. August an Kopftyphus« ... Das war unmöglich, vollkommen unmöglich ... jetzt, da er sichs vorgestellt hatte, war es schon ganz unmöglich; ... das wäre zu seltsam, daß er das in ein paar Tagen wirklich gedruckt lesen sollte ... Er glaubte geradezu, das Schicksal überlistet zu haben. – Der Doktor trat aus dem Haustor. Albert hatte fast an ihn vergessen – nun stockte ihm der Atem. Die Züge des Arztes waren ganz leidenschaftslos und ernst. Er rief dem Kutscher eine Adresse zu, dann stieg er ein und der Wagen fuhr mit ihm davon. – Warum habe ich ihn denn nicht gefragt, dachte Albert ... dann war er aber wieder froh, daß er es nicht getan. Am Ende hätte er sehr Schlimmes gehört. So konnte er weiter hoffen ... Er entfernte sich langsam vom Haustor und nahm sich vor, nicht früher als in einer Stunde wieder da zu sein ... Und plötzlich mußte er sich vorstellen, wie sie das erste Mal nach ihrer Genesung zu ihm kommen würde ... Es war ein so deutliches Bild, daß er ganz erstaunt war. Er wußte sogar, daß an diesem Tage ein feiner, grauer Regen herunterrieseln würde. Und sie hat einen Mantel um, der ihr schon im Vorzimmer von der Schulter fällt, und stürzt in seine Arme und kann nur weinen und weinen. Da hast du mich wieder ... flüstert sie endlich ... da bin ich! Plötzlich schrak Albert zusammen ... Er wußte, daß das nie, niemals sein würde ... Jetzt hatte das Schicksal ihn überlistet! ... Nie wieder würde sie zu ihm kommen – vor fünf Tagen war sie das letzte Mal bei ihm gewesen, und er hatte sie auf immer gehen lassen, und er hatte es nicht gewußt ...
    Und wieder lief er durch die Straßen, die Gedanken sausten ihm durch den Kopf, er sehnte sich darnach, die Besinnung zu verlieren. Jetzt war er wieder vor ihrem Hause ... Noch war das Tor geöffnet, und oben brannten die Lichter im Speise- und Schlafzimmer ... Albert rannte weg. Er wußte: wäre er noch einen Augenblick stehen geblieben, so hätte er hinaufstürzen müssen, zu ihr – an ihr Bett – zu der Geliebten. – Und wie es seine Art war, mußte er auch das zu Ende denken. Und da sah er, wie der Gatte, der mit einem Mal alles erfaßt, zu der Kranken eilte, die bewegungslos dalag, und sie schüttelte und ihr ins Ohr schrie: Dein Geliebter ist da, dein Geliebter ist da! – Aber sie war schon tot ...
    ...In schweren Träumen verging ihm die Nacht, in dumpfer Müdigkeit der Tag. Schon um elf schickte er wieder einen Dienstmann aus, der sich erkundigen sollte. Jetzt konnte das ruhig geschehen; wer kümmerte sich um die Leute, die nachfragen kamen! Die Nachricht, die er erhielt, lautete: Unverändert ... – Den ganzen Nachmittag lag er zu Hause auf seinem Divan und verstand sich selber nicht. Es war ihm alles ganz gleichgültig; und er dachte: es ist doch schön, so müde zu sein ... Er schlief sehr viel. Aber als es dunkel wurde, sprang er plötzlich auf, in einer Art von Staunen, als wäre jetzt erst, das erste Mal in dieser ganzen wirren Zeit, Klarheit über ihn gekommen. Und eine ungeheure Sehnsucht nach Gewißheit bemächtigte sich seiner – heute mußte er den Arzt selbst sprechen. – Er eilte vor ihr Haus. Die Hausbesorgerin stand davor. Er trat auf sie zu und, indem er sich selbst über seine Ruhe wunderte, fragte er sie harmlos: »Wie gehts denn Frau ...?« Die Hausbesorgerin antwortete: »Oh, der gehts sehr

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