Erzaehlungen
und genauen Auftrag.
Er sah beim Schein der Straßenlaterne auf die Uhr und begann hin und her zu gehen. Aber gleich fiel ihm ein: wenn der Gatte doch einen Verdacht erfaßt hätte, den Dienstmann ins Verhör nähme, sich von ihm hierher führen ließe? Rasch folgte er dem Boten; dann mäßigte er den Schritt und blieb in einiger Entfernung hinter ihm. Endlich sah er ihn in dem Hause verschwinden. Albert stand sehr weit, er mußte seinen Blick anstrengen, um das Tor nicht aus den Augen zu verlieren ... Schon nach drei Minuten sah er den Mann wieder heraustreten ... Er wartete nur ein paar Sekunden, um zu sehen, ob dem Mann irgendwer nachspürte; es kam niemand. Jetzt eilte er ihm nach. – »Nun«, fragte er ... »was gibts?« – »Der gnädige Herr läßt sich schön empfehlen,« antwortete der Mann, »und der gnädigen Frau geht es noch nicht besser, sie wird erst in ein paar Tagen aufstehen können.«
»Mit wem haben Sie gesprochen?«
»Mit einem Dienstmädel; sie ist ins Zimmer gegangen und ist gleich wieder heraus, ich glaub, es war grad der Herr Doktor da ...«
»Was hat sie gesagt?« Er ließ sich die Botschaft noch ein paarmal wiederholen und sah endlich ein, daß er kaum mehr wußte als vorher. Sie mußte ernstlich krank sein; man erkundigte sich offenbar von vielen Seiten – dadurch war auch sein Bote nicht aufgefallen ... Aber um so mehr konnte er wagen. – Er bestellte den Mann für morgen auf dieselbe Stunde. –
Erst in ein paar Tagen würde sie aufstehen – und mehr wußte er nicht ... Und ob sie an ihn dachte, ob sie sich nur vorstellen konnte, was er um sie litt – er wußte nichts. –
Ob sie vielleicht erraten, daß
er
es gewesen, von dem diese letzte Erkundigung gekommen war? ... Der gnädige Herr läßt sich empfehlen; nicht sie,
er;
ihr durfte man es vielleicht gar nicht sagen ... Ja, und was fehlte ihr? Die Namen von hundert Krankheiten gingen ihm gleichzeitig durch den Kopf. – Nun, in ein paar Tagen würde sie aufstehen, – es konnte also nichts Ernstes sein ... Aber das sagte man ja immer, auch wie sein eigener Vater auf den Tod krank gelegen war, hatte man das immer den Leuten gesagt ... Er merkte, daß er zu laufen begonnen, da er wieder in eine belebtere Gasse gekommen war, wo ihn die vielen Passanten hinderten. Er wußte, daß die Zeit bis zum morgigen Abend ihm wie eine Ewigkeit erscheinen würde.
Die Stunden gingen hin, und er wunderte sich selbst in manchen Momenten, daß er an eine ernste Krankheit der Geliebten gar nicht glauben konnte. Dann erschien es ihm gleich wieder wie eine Sünde, daß er so ruhig war ... Und nachmittags – wie lange war das schon nicht geschehen! – las er ganze Stunden lang in einem Buche, als gäbe es nichts zu furchten und nichts zu wünschen. –
Der Dienstmann stand schon an der Ecke, als Albert sich am Abend dort einfand. – Heute bekam der Mann außer der gestrigen Weisung noch den Auftrag, mit dem Stubenmädchen womöglich ein Gespräch zu beginnen und in Erfahrung zu bringen, was der gnädigen Frau eigentlich fehlte. – Es dauerte länger als gestern, ehe der Mann sich wieder zeigen wollte, und Albert begann unruhig zu werden. Fast eine viertel Stunde verging, bis er den Mann aus dem Hause treten sah; Albert lief ihm entgegen. –
»Der gnädigen Frau soll es sehr schlecht gehen ...«
»Was?« schrie Albert.
»Der gnädigen Frau soll es sehr schlecht gehen«, wiederholte der Mann.
»Wen haben Sie gesprochen? Was hat man Ihnen gesagt? ...«
»Das Stubenmädel hat mir gesagt, daß es sehr gefährlich ist ... Heut waren schon drei Doktoren da, und der gnädige Herr soll ganz desparat sein.«
»Weiter ... weiter ... was fehlt ihr? haben Sie nicht gefragt? Ich hab Ihnen ja –«
»Freilich! ... Ein Kopftyphus soll's sein, und die gnädige Frau weiß gar nichts mehr von sich seit zwei Tagen.«
Albert blieb stehen und schaute den Mann wie abwesend an ... Dann fragte er:
»Sonst wissen Sie nichts?«
Der Mann fing seine Geschichte von vorne zu erzählen an, und Albert hörte zu, als brächte ihm jedes Wort etwas Neues. Dann bezahlte er ihn und ging geradeswegs wieder in die Straße zurück vor das Haus der Geliebten. Ja, nun konnte er freilich unbehelligt dastehen; – wer kümmerte sich droben um ihn? Und er starrte hinaus zu dem Schlafzimmer und wollte mit seinem Blicke durch die Glasscheiben und Vorhänge hindurchdringen. Das Krankenzimmer – ja! – es war so selbstverständlich, daß da hinter diesen stillen Fenstern ein
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