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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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schlecht; die wird nimmer aufstehn ...«
    »Ah!« erwiderte Albert sehr verbindlich und setzte hinzu: »Das ist aber traurig.«
    »Freilich,« meinte die andere, »das ist sehr traurig – so eine junge, schöne Frau.« Damit verschwand sie im Toreingang. –
    Albert sah ihr nach ... Die hat mir wohl nichts angemerkt, dachte er, und im selben Moment fuhr ihm auch schon der Gedanke durch den Kopf, ob er sich nicht in die Wohnung wagen könnte, da er ja ein solcher Künstler in der Verstellung wäre ... Da kam der Wagen des Arztes angefahren. Albert grüßte, als dieser ausstieg, und erhielt einen höflichen Dank. Das war ihm angenehm – nun war er gewissermaßen bekannt mit ihm geworden und konnte eher fragen, wenn er herunterkäme ...
    Regungslos blieb er stehen, und es tat ihm wohl, zu denken, daß der Arzt bei ihr wäre. Er blieb lange aus ... Jedenfalls mußte noch irgend eine Möglichkeit zu retten da sein, sonst hielte er sich nicht so lange da oben auf. Oder sie lag schon in der Agonie ... Oder ... Ah, weg, weg, weg! – Er wollte alle Gedanken verscheuchen, es war ja nutzlos – es war ja alles möglich. – Plötzlich war es ihm, als hörte er den Doktor reden; – er verstand sogar die Worte: das ist die Krise. Und unwillkürlich schaute er zum Fenster auf, das geschlossen war. Er überlegte, ob nicht unter gewissen Umständen, zum Beispiel bei aufgeregten und dadurch geschärften Sinnen, auch durch geschlossene Fenster die Worte eines Menschen zu vernehmen wären. Ja, natürlich, er hatte sie ja
gehört,
gehört nicht wie in der Einbildung, sondern wie wirklich gesprochene Worte. – ... Aber schon in demselben Augenblick trat der Arzt aus dem Tor. Albert machte einen Schritt auf ihn zu. Der Arzt mochte ihn für einen Verwandten der Familie halten und, ihm die ungesprochene Frage von den Augen lesend, schüttelte er den Kopf. Aber Albert wollte das nicht verstehen. Er begann zu reden. »Darf ich fragen, Herr Professor, wie ...« Der Arzt stand mit einem Fuße auf dem Wagentritt und schüttelte wieder den Kopf ... »Recht schlimm,« sagte er und sah den jungen Mann an ... »Sie sind der Bruder, nicht wahr?« ... »Jawohl«, sagte Albert ..... Der Arzt sah ihn mitleidig an. Dann setzte er sich in den Wagen, nickte dem jungen Mann zu und fuhr davon. –
    Albert schaute dem Wagen beklommen nach, als verschwände eine letzte Hoffnung mit ihm. Dann ging er. Er sprach leise mit sich selbst, beinahe sinnlose Sätze, und die Zähne klapperten ihm dabei. – Also, was machen wir heute? ... Aufs Land ist's zu spät, aufs Land ist's zu spät. Es ist zu spät, es ist zu spät ... Ja, ich bin traurig! Bin ich traurig? Bin ich zu Tode betrübt? Nein, ich gehe spazieren, ich empfinde ja gar nichts, gar nichts. Ich könnte jetzt ins Theater gehen, ja, oder aufs Land fahren – ... O nein, das glaub' ich nur ... das ist alles Wahnsinn, weil ich so tief ergriffen bin. Ja ... ergriffen bin ich, erschüttert! Es ist ein hoher Moment, ich muß ihn festhalten können! Etwas genau verstehen und nichts empfinden ... nichts ... nichts. – Es fröstelte ihn ... Nach Hause, nach Hause. Ich muß irgend etwas Ähnliches einmal erlebt haben ... aber wann, wann? ... Vielleicht einmal im Traum? ... Oder ist das ein Traum? ... Ja, jetzt geh ich nach Hause wie alle Abende, als wäre nichts geschehen, als wäre nicht das Geringste geschehen. – Aber was rede ich mir denn ein! Ich werde ja nicht zu Hause bleiben, ich werde ja mitten in der Nacht wieder davon rennen, vors Haus der Geliebten, vors Haus der sterbenden Geliebten ... Und seine Zähne schlugen aufeinander. –
    Plötzlich fand er sich in seinem Zimmer und konnte sich nicht daran erinnern, wie er heraufgekommen war. Er machte Licht und setzte sich auf den Divan. Ich weiß, wie es ist, sagte er zu sich: der Schmerz klopft an, und ich lasse ihn nicht ein. Aber ich weiß, daß er draußen steht, durchs Guckfenster kann ich ihn sehen. – – Ah wie dumm, wie dumm ... Also meine Geliebte wird sterben ... ja, sie wird, sie wird! Oder hoffe ich vielleicht noch und bin darum so ruhig? Nein, ich weiß es ganz bestimmt. Ach, und der Arzt hat mich für den Bruder gehalten! Wenn ich ihm geantwortet hätte: Nein, ich bin ihr Geliebter, oder: Ich bin ihr Seladon. Ich bin ihr erschütterter Seladon ...
    Herr im Himmel! schrie er plötzlich laut; sprang auf und lief im Zimmer hin und her ... Ich hab ihm aufgetan! Der Schmerz ist da! ... Anna, Anna, meine süße, meine einzige, meine geliebte

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