Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
Vom Netzwerk:
Zimmer, auch ihre Briefe, die Briefe, die sie in ihren Schränken und Pulten aufbewahrt hat ... Denn ich habe alles aufgerissen und durchstöbert ... Was habe ich gefunden? ... Briefe von mir, Blumen von mir, Bänder, Schleifen ... vielleicht auch eine Blume von ihm ... wie soll man das der Blume ansehen? ... Was habe ich denn finden wollen? ... Bewahrt denn eine Frau etwas auf, was sie verraten könnte? ... Ich habe auch in ihren Kleidern, die noch dahängen, herumgesucht ... ein kleines Briefchen, ein Zettel, den man in die Hand drückt, ist leicht vergessen ... Sie aber hat nichts vergessen ...

    Ich bin nicht mehr auf dem Friedhofe gewesen. Mich schaudert davor, das Grab wiederzusehen ... Es kommen ruhigere Minuten ... Nachdem die ersten Tage vorübergegangen sind, ohne daß ich wahnsinnig geworden, muß ich mich dareinfinden, nie die Wahrheit erfahren zu können ... Wie beneide ich jene Betrogenen, die über ihr Unglück klar geworden sind! Wie beneide ich selbst das Los derjenigen, welche ein Verdacht quält und die weiter wachen, weiter spionieren dürfen, die den glückseligen Augenblick erwarten, in dem die Ungetreue sich durch einen Blick, ein Wort verraten wird ... Ich aber bin ein Verdammter für ewige Zeit; denn das Grab gibt keine Antwort ... Und manchmal fahre ich des Nachts aus meinen wüsten Träumen auf, von dem Gedanken gequält, daß ich vielleicht das Andenken einer Unschuldigen entweihe ... Wie gern möchte ich sie weiter lieben, das Weib, das mich so selig gemacht hat ... Wie gern möchte ich sie hassen können, die Erbärmliche, die mich betrogen und beschimpft ... Vor mir, hier auf dem Schreibtische, steht wieder ihr Bild, denn ich habe es vom Boden aufgehoben und lasse es an seinem früheren Platze stehen. Wenn ich dich anbeten dürfte, hinstürzen vor dieses Bild, wie vor das einer Heiligen und weinen! Wenn ich dich verachten dürfte, dieses Bild zertreten unter meinen Füßen! ...
    Abende, Nächte lang starre ich in diese stummen, lächelnden, rätselhaften Augen ...

Arthur Schnitzler
Reichtum

I
    Frühmorgens, in den Schlummer herein, hörte Weldein die Stimme seiner Frau. Sie stand, zum Fortgehen angekleidet, neben seinem Bette und sagte: »Guten Morgen, Karl, ich muß in die Arbeit.« Sie nähte außer dem Hause. Weldein zog die Decke bis über das Kinn, er erinnerte sich dunkel, daß er sich angekleidet ins Bett geworfen hatte. »Guten Morgen«, erwiderte er. Sie sah ihn an, mitleidig, resigniert. »Der Kleine ist schon in der Schule ... und was machst denn du?«
    »Hab' heut keine Arbeit. Laß mich schlafen.«
    Sie ging. Alles das war ihr nichts Neues. Bei der Türe wandte sie sich um. »Vergiß nicht, heute ist der Zins zu zahlen. Das Geld liegt abgezählt in der Lade.« Und sie sah wieder ihren Mann an, schien sich eines andern zu besinnen. Sie schritt zu dem Wäschekasten, öffnete die Lade und nahm Geld heraus ... »Ich will es lieber selber zahlen.«
    »Gut, zahl es selber«, lachte er.
    Sie ging mit einem letzten traurigen Blicke. Und Karl Weldein lag da, allein, halb wachend, mit offenen Augen. Das Zimmer sah ärmlich, aber wohlgehalten aus. Durch die zwei blanken Fenster blitzten die Morgenstrahlen der Frühlingssonne. Die Wanduhr schlug in einförmigem Tick-Tack ...
    Plötzlich sprang Weldein aus dem Bette. Er stand da in Frack und mit weißer Krawatte; das Hemd zerknittert, die Schuhe bestaubt, die kurzgeschnittenen Haare wirr, die Augen rotgerändert. Er trat zu dem einfachen Wandspiegel, der über der Kommode hing. Er betrachtete sich und lächelte. »Guten Morgen, Herr Weldein«, sagte er, »guten Morgen.« Dann tänzelte er im Zimmer umher und begann ein Lied zu pfeifen. Dann setzte er sich auf den Bettrand, schlug die Beine übereinander und dachte nach ... Er mußte sich allmählich besinnen. Daß es kein Traum gewesen, das stand nun fest; wie wäre er sonst in diesem Anzug ins Bett gekommen? Es war also Leben und Wahrheit.
    Und er sah sich wieder in jenem Wirtshaus, wo das Abenteuer begonnen hatte. Er sah sich mit jenen ärmlich gekleideten Leuten an einem Tische sitzen und Karten spielen, wie er es so oft getan. Er empfand sogar wieder den Geruch der qualmenden Lampe, die wie immer auf dem Tische stand, und die rundliche Gestalt des Wirtes erschien vor ihm, die in der Türe gelehnt war, als jene Fremden herein traten. – Gestern abend war es geschehen ...! War es denn möglich?
    – Er hatte sein Geld verloren, alles, alles! Und die Fremden, die an dem Spiel ein

Weitere Kostenlose Bücher