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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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diese Nacht ist nur der Anfang eines neuen Lebens ... In einigen Tagen verschwind' ich aus der Stadt, jawohl, ich verschwinde aus der Stadt ... Meine Frau mag ohne Sorge sein, ich werde ihr schreiben, wohin sie mir nachzukommen habe. Nach dem Süden – – nach Monte Carlo ... wo ich nicht der Anstreicher Weldein bin, wo mich niemand kennt! ...« Er versank in Sinnen.
    »Gut, sehr gut ...« Er warf den Frack ab, tat ihn samt dem übrigen Zubehör seiner eleganten Person von gestern in ein Bündel. Bald stand er im Arbeitsgewande vor dem Spiegel. Er lachte wieder ... »Guten Morgen, Herr Weldein«, rief er laut, jubelnd beinahe. Er trat zum Fenster, schaute auf die Straße. Ein sonniger Frühlingstag! Er öffnete beide Flügel. Lind wehte der Morgen um seine Stirn. Er tat einen tiefen Atemzug, mit einem stolzen erobernden Blicke schaute er in die Höhe ... Drüben im Nachbarhause war alles wie sonst; bei einigen Fenstern noch die Vorhänge herabgelassen; bei anderen sah man Frauen im Morgenkleid putzen und abstauben, dann wieder ganz im Hintergrunde der Zimmer verschwinden. Unten bei der geöffneten Ladentür hämmerte der Schuster ... Alle waren fleißig, waren bei der Arbeit.
    Karl Weldein trat vom Fenster zurück, zündete sich eine Zigarre an und legte sich der Länge nach aufs Bett. Er war reich, er war glücklich. Er ruhte vielleicht eine Stunde lang, die Zigarre lag neben dem Bette ausgebrannt auf dem Boden, als er erwachte. Mit einem dumpfen Gefühl im Kopfe erhob er sich ... Es war ihm etwas Wichtiges eingefallen. Wo war sein Geld? – Er hatte irgend etwas damit getan. Aber was? Ach ja, freilich ... wie er von jenem Tore aus durch die Straßen taumelte, da war es ihm ja plötzlich durch den Sinn gefahren, daß er das Geld nicht mit sich nach Hause nehmen konnte ... es war zuviel! ... Da war ihm nun der tolle Gedanke gekommen, seinen Reichtum zu verstecken ...
    In der Nacht war es ihm so ganz natürlich erschienen – in jenen Augenblicken, da ihm der Kopf von dem glühenden Weine wirbelte und heiß war –, daß er das Geld vor der Frau, vor den Nachbarn, vor allen Menschen überhaupt verstecken müßte! ... Er hatte eine seltsame Empfindung von Angst, beinahe von Schuld gehabt, als er in der Nacht durch die Straßen schwankte, die ihm jetzt fast sonderbarer vorkam als sein ganzes Abenteuer ...
    ...Aber was tat es weiter? – Am Ende hätte auch wahrhaftig seine Frau das Geld vorzeitig gefunden ... und da ... hätte es dann im Kasten liegen und einrosten können ... Nun, es war jetzt geschehen ... er hatte seinen Reichtum versteckt – und er hatte einfach nichts anderes zu tun, als ihn wieder zu holen. Freilich nicht jetzt ... erst in der Nacht. In der Nacht mußte er hingehen ... hingehen ... hingehen ... Er griff sich an die Stirn ... Wohin gehen? ... Nun ja ... von dem Gebäude des Klubs aus durch jene lange Straße ... und dann ... ja, wohin dann ... ja, links ... und dann ... Ja, wohin? Wohin war er gegangen? ... Links ... links ... links ... Und Weldein suchte in seinem Gedächtnisse. Er fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. Er stampfte auf den Boden. Er murmelte ... Wohin ... Er schrie ... Wohin? Er ging mit gesenktem Haupte im Zimmer hin und her, im Kreise. Er fing an, in singendem Tone vor sich hinzusagen: Wohin ... wohin ... wohin?
    Nun stand er wieder beim offenen Fenster. Wagen rasselten vorbei. Er schlug die Flügel wieder zu. – Wagenrasseln. Das hatte er auch heute nacht gehört, kurz vorher ... »Nun, nur Ruhe«, sagte er sich. »Also ... die Wagen rasselten in der Straße ... gut ... und dann ging ich links.« Er stand still da, die Stirn am Fensterkreuz, und grübelte. Er erinnerte sich genau an die dunkle lange Straße ... dann kam eine Kreuzung – er war zur linken Hand weitergegangen – und von da an ... wohin? ...
    Er stand da, minutenlang, totenblaß, den Schweiß auf der Stirn. Es war, um toll zu werden! Er nahm seinen Hut, der auf dem Tische lag und setzte ihn auf. Er stürzte die Tür hinaus, die Treppe hinunter und fort, fort – dorthin!

II

    Da lag sie vor ihm, die lange, lange Straße im hellen Sonnenschein des Morgens, und er eilte den Häusern entlang weiter. Da kam die Kreuzung, endlich – und da ... da war er links gegangen, wieder durch eine schöne, aber viel weitere Straße! Er kannte sie natürlich, aber er erinnerte sich nicht, nachts hier gewesen zu sein. Nun freilich, es war ja ganz dunkel gewesen. Und nun entsann er sich eines wichtigen Moments ... er

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