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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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begreifen –, daß der Brief später einmal – meinen Neffen in die Hände fiele und sie sich über ihren verrückten, längst verstorbenen Onkel lustig machten.«
    »Du bist ja sehr besorgt um deinen Nachruhm«, meinte Otto. »Aber wahrscheinlich bin ich es – unbewußt – schon früher gewesen, und das allerdings etwas lächerliche Schriftstück dürfte gar nicht mehr existieren. Wenigstens erinnere ich mich nicht, daß es mir seit vielen Jahren vor die Augen gekommen wäre.«
    »Ich hätte natürlich auch nicht mehr daran gedacht, aber die neue Lebensperiode, in die ich eintrete – nicht wahr, Otto, du verstehst ja – man möchte alles weit hinter sich geworfen haben, was an trübe Epochen der Vergangenheit mahnt, man möchte jede Spur davon aus der Welt verschwunden wissen ... Leider geht es nicht mit allem so einfach – wie mit einem Stück Papier.«
    Otto war aufgestanden und legte dem Bruder, der ihm gegenüber in einem Lehnstuhl saß, mit einer ungewohnten Gebärde der Herzlichkeit die Hand auf die Schulter. Und mit einem allzu freundlichen Lächeln sagte er: »Hast du wirklich jemals im Ernst daran gedacht, daß ich von deiner mir gütigst erteilten Ermächtigung Gebrauch machen würde?« Und mit einem etwas angestrengten Versuch, zu scherzen, fügte er hinzu: »Da hätte ich es schon längst tun müssen.«
    »Darin kann ich dir freilich nicht Unrecht geben«, erwiderte Robert bedrückt, »aber nun ist ja doch alles anders geworden, Gott sei Dank. Ja, Otto, daß ich Paula gefunden habe, das ist ein Glück ohnegleichen, ein ganz unverdientes Glück. Dabei mußt du wissen, daß ich es beinahe versäumt hätte.« Er vermochte zu seiner eigenen Verwunderung zu seinem Bruder freier und aufgeschlossener zu reden als sonst. Er sprach davon, wie haltlos und verloren er seit Jahren dahingedämmert, wie die Amtsgeschäfte ihn nicht befriedigt, alle Vergnügungen ihn gelangweilt hätten, wie er immer wieder von allerlei sonderbaren und albernen Einbildungen gequält und umhergehetzt worden sei; wie aber von der Stunde ab, da Paula in sein Leben getreten war, die ganze Welt gleichsam lichtere Farben angenommen, wie er nun sogar in seinem Berufe eine ungewohnte Befriedigung finde, wie insbesondere die Musik dadurch, daß seine Braut auch hier sich ihm als eine wahre Gefährtin erweise, ihm ein ganz neues Glück gewähre und wie er fühle, daß erst jetzt eine schwere Wolke, die er immer als über sich schwebend empfunden, für alle Zeiten geschwunden sei. Alle diese Worte aber, dessen war er sich wohl bewußt, sollten nicht nur sich selbst, nicht nur eine Art von Beichte bedeuten, sie waren auch dazu bestimmt, den Bruder zu versöhnen, dessen Wahn zu zerstreuen und ihm Erleuchtung zu bringen.
    »Es ist gewiß ein Glück«, unterbrach Otto des Bruders dahinströmende Wortflut, »daß du endlich das richtige Wesen gefunden hast, und du kannst versichert sein, daß wir alle deine Freude teilen. Steht übrigens schon der Termin der Hochzeit fest?«
    Was soll die Frage, dachte Robert bei sich. Gibt er mir noch Frist – bis dahin –? Ist ihm am Ende nur darum zu tun, daß – ich nicht belastete Nachkommen in die Welt setze? Aber er vermochte ganz ruhig zu erwidern: »Der Tag steht noch nicht fest. Im März, denke ich. Wir wollen dann gleich eine schöne Reise machen.«
    Otto lächelte. »Du heiratest wohl nur, um wieder dafür einen Vorwand zu haben?«
    »Keine sehr lange diesmal«, sagte Robert. »Ich kann nicht wieder für ein paar Monate Urlaub nehmen.«
    »Wo wollt ihr denn hin?«
    »Nach Dalmatien. Ich möchte Paula Spalato zeigen, den Palast des Diokletian, – Ragusa ...«
    Otto nickte. In diesen Gegenden hatten die Brüder vor vielen Jahren einmal als Knaben mit ihren Eltern die Osterzeit zugebracht. Otto erinnerte Robert an manche Einzelheiten jenes Aufenthaltes; und seine Stimme klang so warm, so nah – insbesondere als er dann noch von anderen, längst vergangenen Dingen und endlich auch vom Elternhaus, einem uralten, seither verschwundenen Gebäude der inneren Stadt, zu sprechen anfing –, daß Robert ein wundersames, lange nicht genossenes Gefühl von Geborgenheit durch die Seele fließen fühlte. Doch das währte nur eine kurze Weile. Dann schämte er sich seiner Rührung wie ein Betrogener, heftig hob er das Haupt empor, und mit einem forschend-kalten Blick, der den Bruder notwendig überraschen mußte, sah er ihm ins Auge. Und plötzlich, mit Grauen, erblickte er ein Antlitz, das er kannte. Es war

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