Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
bemerken können.
    Das ganze Heer der Quiquendonianer lag auf dem Boden wie eine Schaar Kapuzinermönche… Glücklicherweise jedoch fiel Niemand der Explosion zum Opfer; nur hie und da waren einige kleine Schrammen und geringe Verletzungen zu beklagen. Dem Conditor, der zufällig nicht vom Pferde gefallen war, wurde sein Federbusch arg versengt, sonst kam er jedoch ohne Wunde davon.
    Was war geschehen?
    Ob nun während der Abwesenheit des Doctors und seines Gehilfen irgend eine Unvorsichtigkeit begangen sein mußte, oder was sonst die Ursache gewesen – kurz, man erfuhr bald, daß die ganze Gasanstalt in die Luft geflogen war. Man wußte nicht, wie oder weshalb eine Verbindung zwischen dem Reservoir, welches das Oxygen enthielt, und dem Hydrogenbehälter eingetreten war, aber aus der Vereinigung der beiden Gase hatte sich eine detonirende Mischung gebildet, und an diese war jedenfalls ein zündender Funke gerathen.
    Durch diese Katastrophe trat eine absolute Aenderung ein – als sich aber die Armee wieder aufrichtete und man sich nach den beiden Uebelthälern umsah, waren Doctor Ox sowohl als sein Famulus Ygen verschwunden.
Sechzehntes Capitel, in dem der intelligente Leser sieht, daß er, trotz aller Vorsichtsmaßregeln des Verfessers, recht gerathen hatte.
    Durch die Explosion verwandelte sich Quiquendone wie durch einen Zauberschlag wieder in dieselbe phlegmatische, stillfriedliche, flämische Stadt, die sie ehedem gewesen war.
    Ein Jeder machte sich instinctmäßig wieder auf den Weg nach Hause ohne daß das unvorhergesehene Ereigniß einen besonders tiefen Eindruck hervorgebracht hätte. Der Bürgermeister stützte sich auf den Arm des Rath Niklausse, der Advocat Schut ging mit dem Arzt Custos, und Frantz Niklausse mit seinem Nebenbuhler Simon Collaert Arm in Arm, jeder vollkommen ruhig und ohne eine Ahnung von dem, was sich zugetragen hatte. Virgamen und ihre Rache hatten sie längst vergessen; der General stand bereits wieder bei seinen Bäckereien, und der Adjutant kehrte zu dem Gerstenzucker zurück.
    Alles war wieder ruhig geworden, hatte den Faden des gewohnten Lebens wieder angeknüpft und ging seinen richtigen Gang. Menschen und Thiere hielten sich aufrecht wie früher, und sogar der Thurm auf dem Audenarder Thor – man sollte nicht glauben, wie wunderbar zuweilen Explosionen wirken – der Thurm auf dem Andenarder Thor ragte wieder in gerader Richtung zum Himmel empor!
    Von nun an fiel nie wieder ein lautes Wort, ereignete sich nie wieder eine Discussion in Quiquendone, und Politik, Clubs, Processe und Stadtsergeanten wurden abgeschafft. Die Stelle des Commissars schrumpfte wieder zu einer Sinecure zusammen, und wenn man Herrn Passauf seinen Gehalt nicht verkürzte, so lag dies einzig daran, daß Bürgermeister und Rath sich nicht entscheiden konnten, eine Entscheidung zu treffen. Uebrigens kehrte sein Bild noch dann und wann in den Träumen der untröstlichen Tatanémance wieder – ohne daß er jedoch eine Ahnung davon gehabt hätte.
    Was den Nebenbuhler Frantzens anbetraf, so war er großmüthig genug, die reizende Suzel ihrem Verlobten ohne weiteren Kampf zu überlassen, und dieser beeilte sich, sie, die Holde, in fünf bis sechs Jahren heimzuführen.
    Frau van Tricasse starb, wie es ihr zukam, zehn Jahre später zu der herkömmlichen Frist, worauf der Bürgermeister sich mit Fräulein Pélagie van Tricasse, seiner Cousine, verheiratete, und zwar unter den günstigsten Verhältnissen für die glückliche Sterbliche, die ihn beerben sollte.
Siebenzehntes Capitel, in dem Theorie des Doctor Ox erklärt wird.
    Was hatte der geheimnißvolle Doctor Ox mit alledem bezweckt? Ein phantastisches Experiment und weiter nichts.
    Nachdem seine Gasleitung eingerichtet war, hatte er zuerst die öffentlichen Gebäude, dann die Privathäuser und zuletzt die Straßen von Quiquendone mit reinem Oxygen gesättigt, ohne ihnen nur ein Atom Hydrogen zukommen zu lassen.
    Wenn dies vollständig geschmack-und geruchlose Gas in so hoher Dosis die Atmosphäre durchdringt und somit eingeathmet wird, erzeugt es in den Organismen die ernstesten Störungen. Lebt man in einem mit Oxygen gesättigten Dunstkreise, so wird man aufgeregt, überreizt, ja förmlich entflammt.
    Kaum aber kommt man in die gewöhnliche Atmosphäre zurück, so wird man wieder zu seinem früheren Selbst, was am deutlichsten aus dem Erlebniß der beiden Herren erhellt, die oben an der Sturmglocke in athmungssähige Luft kamen. Das Oxygen hält sich nämlich

Weitere Kostenlose Bücher