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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Eine mit großem rötlichen Focksegel und luvwärtsgerichtetem Klüver ist das. Von einer frischen Brise getrieben, erreicht sie die Bucht.
    An Bord sind der Prinz und der Zauberer, und ihnen soll die Mannschaft ihren ganzen Fischfang verkaufen.
    Das Schleppnetz ist aufs Meer geworfen worden. In diesem weiten Sack, den man über den sandigen Grund zieht, sammeln sich zu Hunderten alle Arten Fische, Mollusken und Krustentiere, Krabben, Garnelen, Hummer, Rotzungen, Seezungen, Rochen, Barben, Meerengel, Drachenköpfe, Goldfische, Steinbutte, Barsche, Rötlinge, Knurrhähne, Meeräschen, Streifenbarben und viele andere mehr!
    Welch eine Gefahr für die gerade erst aus ihren Schalengehäusen befreite Familie Raton! Wenn sie unglücklicherweise vom Schleppnetz eingefangen wird, gibt es für sie kein Entrinnen mehr!
    Dann werden Steinbutt, Drachenkopf, Hecht, Forelle und Wittling von der groben Hand der Matrosen in die Körbe der Fischhändler geworfen, in irgendeine große Hauptstadt befördert, zuckend noch auf dem Marmortisch des Verkäufers ausgenommen, während der Goldfisch vom Prinzen mitgenommen und für seinen Geliebten Ratin auf immer verloren sein wird!
    Da ändert sich plötzlich das Wetter. Das Meer schwillt an und beginnt zu brodeln. Der Wind pfeift. Das Gewitter bricht aus. Es ist ein Unwetter, ein Sturm.
     

    Das Boot wird von den Wogen schrecklich durchgeschüttelt. Es hat keine Zeit mehr, sein Netz einzuziehen, das schon zerreißt; und trotz aller Anstrengungen des Untersteuermannes driftet es zur Küste ab und zerschellt an den Felsen. Dem Prinzen Kissador und dem Zauberer Gardafur gelingt es knapp, dem Schiffbruch zu entrinnen. Unglücklicherweise werden sie gerettet, dank der Aufopferung der Fischer.
    Die gute Fee, meine lieben Kinder, hat dieses Gewitter entfesselt, um die Familie Raton zu retten. Dort steht sie, auf einem hohen Felsen, in Begleitung des schönen Jünglings, und mit ihrem wunderbaren Zauberstab in der Hand.
    Nun können Raton und die Seinen in dem Wasser, das sich beruhigt, wieder vergnügt zappeln. Der Steinbutt dreht und wendet sich, der Drachenkopf zieht kokette Runden, der Hecht öffnet und schließt seine kräftigen Kiefer und reißt dabei kleine Fische ins Verderben, die Forelle gibt ihrer Dankbarkeit Ausdruck und der Wittling, den seine Muschelschalen behindern, kommt nur linkisch voran. Der hübsche Goldfisch scheint darauf zu warten, daß sich Ratin zu ihm ins Wasser stürzt. Ja, das würde er auch gern, aber die Fee hält ihn zurück.
    »Nein«, sagt sie, »nicht bevor Ratine die Gestalt angenommen hat, in der sie dir zuerst zu gefallen wußte!«
VI
    Eine sehr hübsche Stadt, diese Stadt Rattopolis. Sie liegt in einem Königreich, dessen Namen ich vergessen habe, das aber weder in Europa noch in Asien, Afrika, Ozeanien oder Amerika zu finden ist, obwohl es irgendwo schon sein muß.
    Jedenfalls ähnelt die Landschaft um Rattopolis ziemlich einer holländischen. Frisch und grün ist sie, sauber, hat Flüsse mit kristallklarem Wasser, von schönen Bäumen überschattete Lauben, fruchtbare Wiesen, auf denen die glücklichsten Herden der ganzen Welt weiden.
    Wie alle Städte hat Rattopolis Straßen, Plätze, Boulevards; allerdings werden diese Boulevards, Plätze und Straßen statt von Häusern von wunderbaren Käsen gesäumt: Gruyères, roten Rindenkäsen, Mareuils, Chesters in zwanzig Sorten. In ihrem Innern sind Etagen mit Wohnungen und Zimmern ausgehöhlt. Hier lebt, unter der Republik, eine zahlreiche Bevölkerung einsichtiger, schlichter und vorausschauender Ratten.
    Es mochte wohl Sonntag abend sein, gegen sieben Uhr. Ratten und Rättinnen promenierten in der Familie, um noch einmal frische Luft zu schnappen. Nachdem man eine ganze Woche damit verbracht hatte, die häuslichen Vorräte zu erneuern, ruhte man am siebenten Tage aus.
     

    Aber der Prinz Kissador war auch in Rattopolis, gefolgt vom unzertrennlichen Gardafur. Als sie erfahren hatten, daß die Familie Raton nach einer gewissen Zeit Fischdaseins wieder zu Ratten geworden war, begannen sie erneut damit, geheime Hinterhalte gegen sie auszuhecken.
    »Wenn ich darüber nachdenke«, sagte der Prinz einmal mehr, »daß sie ihre neuerliche Verwandlung wieder dieser verflixten Fee verdanken!«
    »Ach, halb so schlimm!« antwortete Gardafur. »Jetzt werden sie wieder leichter zu fangen sein! Fische, die entkommen viel zu schnell! Da sie wieder Ratten und Rättinnen sind, werden wir uns schon ihrer zu bemächtigen

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