Erzählungen
wissen.«
»Mögest du recht behalten, Gardafur!«
»Und ist sie erst einmal in Eurer Macht«, fügte der Zauberer hinzu, »wird die schöne Ratine vor lauter Liebe zu Eurer Hoheit schier vergehen.«
Bei diesen Worten blies sich der Laffe von Prinz auf, stolzierte hochtrabend umher und warf den hübschen Rättinnen verstohlene Blicke zu.
»Gardafur«, bohrte er, »wir haben keine Minute zu verlieren!«
»Alles ist vorbereitet, mein Prinz, und Ratine wird der Falle, die ich ihr gelegt habe, nicht entkommen.«
»Wo ist denn diese Falle? …«
»Hier!«
Und Gardafur wies auf eine elegante Laubwiege in einer Ecke des Platzes.
»Mit dieser Wiege willst du Ratine fangen?«
»Jawohl, mein Prinz.«
»Und wie? …«
»Ihr werdet’s sehen, und ich verspreche Euch, daß sich die Schöne noch heute im Palast Eurer Hoheit befinden wird. Und ist sie dort, wie könnte sie sich dem Anmut Eures Geistes und dem Liebreiz Eurer Person noch länger entziehen?«
Und der Dummkopf ließ sich diese plumpen Schmeicheleien des Zauberers wohl gefallen!
»Da ist sie ja schon!« sagte Gardafur. »Kommt, mein Prinz, sie darf uns nicht sehen.«
Beide versteckten sich in der anliegenden Straße.
Ja, das war Ratine, allerdings begleitete sie Ratin zu ihrer Unterkunft. Wie bezaubernd sie mit ihrem hübschen Blondkopf und ihrer anmutigen Rättinnenfigur aussah! Und der Jüngling sagte zu ihr:
»Ach, liebe Ratine, warum bist du noch kein Mädchen! Wenn ich Ratte hätte werden können, um dich auf der Stelle zu heiraten, würde ich nicht gezögert haben. Aber das ist unmöglich!«
»Nun, mein lieber Ratin, so müssen wir warten …«
»Warten! Immer nur warten!«
»Was macht das, da du weißt, daß ich dich liebe und immer nur dir gehören werde! Außerdem beschützt uns die gute Fee, und wir haben nichts mehr zu fürchten, weder von dem bösen Gardafur noch von dem Prinzen Kissador …«
»Diesem Unverschämten«, entfuhr es Ratin, »diesem Narren, den ich schon zurechtweisen werde …«
»Nein, mein lieber Ratin, nein! Suche du keinen Streit mit ihm! Er ist mächtig! Er hat seine Wachen, die ihn beschützen … Du würdest unterliegen, und was würde dann aus mir? Habe Geduld, weil es nötig ist, und Zuversicht, weil ich dich liebe!«
Ratine sagte das so gefühlvoll, daß ihr der Jüngling nicht hätte widerstehen können. Er drückte sie an sein Herz und küßte ihr die kleinen Pfoten.
Und als sie sich vom Spaziergang etwas ermüdet fühlte, sagte sie ihm:
»Da, Ratin, ist schon die Wiege, in der ich mich immer ausruhe! Geh du schon nach Hause und richte meinen Eltern aus, daß sie mich zum Fest hier wiederfinden werden.«
Und Ratine schlüpfte in die Laube hinein.
Plötzlich ertönte ein trockener Knall, wie das Klappen einer zurückschnellenden Feder …
Unter dem Laubwerk war eine heimtückische Rattenfalle versteckt, und Ratine hatte ahnungslos den Auslöser berührt. Brüsk war vor der Laube ein Gitter niedergegangen, und jetzt war sie gefangen!
Ratin stieß einen Wutschrei aus, dem der Verzweiflungsschrei Ratines antwortete und das Triumphgebrüll Gardafurs folgte, der zusammen mit dem Prinzen Kissador herbeigelaufen kam.
Vergebens machte sich der Jüngling am Gitterwerk zu schaffen, um die Stäbe zu brechen! Von der Wut übermannt, wollte er sich auf den Prinzen stürzen, um ihn zu erwürgen. Aber auf ein Zeichen Gardafurs erschienen zwölf seiner Diener. Ratin sah ein, daß er nicht mehr für Hilfe und Beistand sorgen könne, wenn er sich gefangennehmen ließe. Das beste war, Unterstützung zu holen, um die unglückliche Ratine ihrem Entführer zu entreißen. Das tat Ratin und lief auf die Hauptstraße von Rattopolis. Unterdessen war Ratine aus der Rattenfalle herausgeholt worden, und der Prinz Kissador sagte ihr mit unübertrefflicher Ritterlichkeit:
»Jetzt hab ich dich, Kleines, und du wirst mir nicht mehr entkommen!«
VII
Die Familie Raton wohnte in einem der elegantesten Häuser von Rattopolis – einem herrlichen holländischen Käse. Salon, Speisezimmer, Schlafgemächer, alle nötigen Räume für die Bediensteten waren geschmackvoll und komfortabel eingerichtet. Raton und die Seinen gehörten nämlich zur gesellschaftlichen Spitze der Stadt und erfreuten sich allgemeiner Hochachtung.
Die Rückkehr in seinen vormaligen Stand hatte das Herz dieses würdigen Philosophen nicht anschwellen lassen. Was er gewesen war, würde er immer bleiben, bescheiden in seinen Ansprüchen, ein richtiger Weiser, aus
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