Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
die Natur.«
    »Aber warum will sie, daß ich einen Wittlingsschwanz habe, obwohl ich wieder Ratte geworden bin?« jaulte der Vetter und zog eine mitleiderregende Grimasse. »Frau Fee, könnte man mich davon nicht befreien?«
    »Nein, leider nicht!« antwortete Firmenta. »Dieser Schwanz ist Bestandteil Eurer Person. Er müßte schon durch die nächste Verwandlung verschwinden. Wahrlich, Ihr habt kein Glück! Vielleicht will es Euer Name, daß Ihr so mißraten seid. Wollen wir hoffen, daß Ihr keinen Rattenschwanz behaltet, wenn Ihr zum Vogel werdet!«
    »Oh, wenn es dazu kommen wird«, rief Madame Ratonne, »dann möchte ich die Käfigkönigin sein!«
    »Und ich König des Hühnerhofs!« sagte Rata.
    »Und ich eine schöne dicke, mit Trüffeln gefüllte Truthenne«, fügte Ratane naiv hinzu.
    »Ihr werdet sein, was ihr sein werdet«, philosophierte Vater Raton. »Ich für mein Teil bin Ratte und bleibe es, dank meiner Gicht, und das ist alles in allem auch besser so, als sich die Federn auszurupfen wie so viele Vögel aus meiner Bekanntschaft!«
    »Welch ein Wesen!« murmelte seine Gattin verächtlich.
    In diesem Moment öffnete sich die Tür. Der junge Ratin trat ein, blaß und aufgelöst. In wenigen Worten hatte er die Geschichte mit der Rattenfalle erzählt, und wie Ratine in den Hinterhalt des niederträchtigen Gardafur gelaufen war.
    »Ah! So ist das«, antwortete die Fee. »Du willst weiterkämpfen, verfluchter Zauberer! Sei es – dann kämpfen wir beide!«
VIII
    Ja, meine lieben Kinder, ganz Rattopolis feiert, und ihr wärt begeistert gewesen, wenn euch eure Eltern nur hätten dorthin führen können. Urteilt selbst! Überall große Bögen mit Transparenten in tausend Farben, Laubbögen über den beflaggten Straßen, mit Tapisserien geschmückte Häuser, Feuerwerkskörper, die sich in der Luft kreuzen, Musik an jeder Wegeskreuzung, und ich bitte euch, mir zu glauben: die Ratten könnten noch den besten Gesangvereinen der Welt etwas beibringen. Sie haben feine, sanfte Stimmen, sanfte Flötenstimmen von unaussprechlichem Zauber. Wenn sie so singen, meint man, ein ganzes Harmonieorchester zu hören. Und wie sie die Werke ihrer Komponisten interpretieren, all der Rattini, Rattgner, Rattenet und so vieler anderer Meister!
    Was aber eure uneingeschränkte Bewunderung erregt hätte, das ist ein Umzug aller Ratten des Universums und all derer, die, ohne Ratten zu sein, doch diesen vielsagenden Namen verdient haben.
    Da sieht man Ratten, die Harpagon ähneln und in der Pfote ihre kostbare Geizhalskassette tragen; Nacktratten, alte Veteranen, aus denen der Krieg Helden gemacht hat und die stets bereit sind, Vertretern der menschlichen Rasse die Kehle zu durchbeißen, um sich einen weiteren Dienstgrad zu erobern; Rüsselratten mit wahren Schwänzen als Nase, wie sie von den französischen Fremdenlegionären in Nordafrika, diesen Witzbolden, hergestellt werden; demütige und biedere Kirchenratten; Kellerratten mit der Gewohnheit, auf Kosten der Regierung ihre Schnauze in Handelsgüter hineinzustecken; und vor allem sagenhafte Massen dieser possierlichen Tanzratten, die die »passes« und »contre-passes« eines wunderbaren Opernballettes aufführen!
     

    Inmitten dieses Zusammenstroms der schönen Gesellschaft bahnte sich die Familie Raton ihren Weg, angeführt von der Fee. Aber von diesem blendenden Spektakel sahen sie nichts. Sie dachten nur an Ratine, die arme Ratine, die der Liebe von Vater und Mutter wie der Liebe ihres Verlobten entrissen war!
    So erreichte man den großen Platz. Zwar war die Rattenfalle immer noch bei der Wiege, Ratine befand sich aber nicht mehr darin. Sie war wohl fort, sehr weit fort verschleppt worden.
    »Gebt mir meine Tochter zurück!« schrie Madame Ratonne, deren ganzer Ehrgeiz nur noch dem einen Ziel diente, ihr Kind wiederzufinden.
    Ihre Rufe erweckten tiefes Mitleid und legten sich wie ein Trauerflor über die feiernde Stadt.
    Vergeblich bemühte sich die Fee Firmenta, ihre Empörung über Gardafur zu unterdrücken. Das sah man an ihren zusammengekniffenen Lippen und den Augen, die ihre gewohnte Milde verloren hatten.
    Ein großer Tumult erhob sich am Ende des Platzes. Das war ein Zug der Prinzen, Herzöge, Marquis sowie der prächtigsten Edelleute in herrlichen Kleidern, denen die bis an die Zähne bewaffneten Garden vorangingen.
    An der Spitze der Hauptgruppe trat der Prinz Kissador hervor, verteilte Lächeln und gönnerhafte Grüße an all die kleinen Leute, die ihm den Hof

Weitere Kostenlose Bücher