Erzählungen
finden.
»Das Oel in unserer Lampe ist bald zu Ende….« (S. 218.)
Johann Cornbutte schlug nun vor, daß ein Weg von der Thüröffnung aus gegraben werden sollte; aber das Eis war so hart, daß die Schneidewerkzeuge nur schwer eindringen konnten. Die herausgeschlagenen Stücke verengten bald sehr unangenehm den inneren Raum, und doch war nach dreistündiger harter Arbeit der ausgehöhlte Gang noch nicht drei Fuß lang.
Es mußte folglich auf ein rascheres Mittel gesonnen werden, durch welches das Haus weniger erschüttert wurde, denn je weiter man vordrang, desto härter zeigte sich das Eis, und man mußte die größten Anstrengungen machen, um es zu durchbrechen. Penellan kam auf den Gedanken, das Eis in der erwähnten Richtung mit der Spiritusflamme zu schmelzen. Es war dies, da sie nur eine kleine Quantität Spiritus mitgenommen hatten, sehr gefährlich, denn wenn ihre Einkerkerung sich verlängern sollte, mußte ihnen der Spiritus ausgehen, und sie konnten sich keine warmen Mahlzeiten und Getränke mehr bereiten. Trotzdem aber erhielt dieser Plan allseitige Zustimmung und wurde alsbald in Ausführung gebracht. Man grub zuerst ein Loch von drei Fuß Tiefe mit einem Fuß im Durchmesser um das Wasser von dem Schmelzen des Eises darin zu sammeln, und man brauchte sich diese Vorsichtsmaßregel nicht gereuen zu lassen, denn das Wasser begann sehr bald unter der Einwirkung des Feuers herab zu sickern.
Die Oeffnung wurde allmälig größer, aber lange durfte die Arbeit nicht fortgesetzt werden, denn das Wasser durchdrang die Kleider der Leute, und schon nach einer Viertelstunde mußte Penellan die Flamme zurück ziehen, um sich selbst zu trocknen. Misonne nahm nun seine Stelle ein und bewies nicht weniger Muth, so daß der Gang nach Ablauf von zwei Stunden fünf Fuß Tiefe hatte.
Trotzdem konnte der Eisenstab noch immer keinen Ausweg finden.
»Es kann unmöglich so stark geschneit haben, sagte Johann Cornbutte; jedenfalls sind die Massen durch den Orkan zusammen getrieben. Wäre es nicht gerathener, den Durchbruch an einer andern Stelle zu versuchen?
– Ich weiß nicht, antwortete Penellan; ich denke, wir fahren in der eingeschlagenen Weise fort, wäre es auch nur, um unsere Gefährten nicht zu entmuthigen. Früher oder später müssen wir auf einen Ausgang treffen!
– Wird uns der Spiritus nicht ausgehen? fragte Johann Cornbutte.
– Ich hoffe, nein, erwiderte der Untersteuermann; freilich nur unter der Bedingung, daß wir auf Kaffee und heiße Getränke verzichten. Uebrigens beunruhigt mich dieser Umstand nicht am Meisten.
– Was noch sonst, Penellan?
– Das Oel in unserer Lampe ist bald zu Ende, sie wird demnächst erlöschen; und auch unsere Lebensmittel reichen nicht mehr weit. Es bleibt uns kein anderer Trost, als wir sind in Gottes Hand!«
Hierauf wandte sich Penellan wieder nach der Thüröffnung, um die Stelle André Vasling’s einzunehmen, der gleichfalls energisch an der gemeinsamen Befreiung mit arbeitete.
»Ich will Sie jetzt ablösen, Herr Basling, sagte er, aber achten Sie unterdessen genau auf jede drohende Senkung, damit wir zeitig Vorkehrungen dagegen treffen.«
Die Zeit der Ruhe war gekommen, und als Penellan den Gang noch um einen Fuß verlängert hatte, hörte auch er mit der Arbeit auf und streckte sich neben seine Gefährten nieder.
Elftes Capitel.
Eine Rauchwolke.
Als die Seeleute andern Morgens erwachten, war Alles um sie her dunkel; die Lampe war ausgegangen. Johann Cornbutte weckte nun Penellan und bat ihn um Feuer, worauf dieser sich schnell erhob, um den Ofen anzuzünden, dabei aber heftig gegen die Decke stieß. Er erschrak furchtbar, denn noch am Abend zuvor hatte er aufrecht stehen können. Als das Feuer im Ofen brannte, sah der Untersteuermann beim unbestimmten Schimmer der Spiritusflamme, daß die Decke um einen Fuß tiefer gesunken war.
Penellan machte sich mit Ueberanstrengung seiner Kräfte von Neuem an die Arbeit. Marie hatte den Untersteuermann beobachtet, und als sie jetzt den Ausdruck tiefer Verzweiflung und angespanntester Willenskraft auf seinen rauhen Zügen las, kam sie auf ihn zu, ergriff seine beiden Hände und drückte sie zärtlich. Penellan fühlte, wie ihn der Muth wieder belebte.
»Gott wird sie so nicht sterben lassen!« rief es in ihm.
Er kroch in die enge Oeffnung, stieß mit kräftiger Hand den Eisenstab hinein und – fühlte keinen Widerstand. War er bis an die weichen Schneeschichten gelangt? Er zog seinen Stock zurück, und ein
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