Erzählungen
Denn allein drei Tiere sauber zu putzen, ist keine Kleinigkeit ...
Der November verging, und der Dezember brach an. Das Weihnachtsfest war vorbei, eh man's gedacht, und niemand dachte daran, es zu feiern. Zwar, der 25. Dezember war dienstfrei, und Capitaine Chabert sprach am Rapport einige verlegene Worte: Sie handelten vom Friedensfest und vom Geburtsfest des Erlösers. Man wird zugeben müssen, dass es paradox ist, wenn ein höherer Offizier vom Frieden schalmeit ...
Und dann war der 31. Dezember da. An diesem Tage fiel kein Regen; es war den ganzen Tag neblig, die Alfamatratzen – das einzige Ameublement der Baracken, plattgedrückt waren sie wie riesige Wanzen – blieben den ganzen Tag besetzt. Die Kompagniekasse hatte nicht schlecht gewirtschaftet – ein kleiner Gewinn war zu verzeichnen. Aber Kompagniekassen schütten keine Dividenden aus. Capitaine Chabert hatte hundert Päckli Zigaretten gekauft und sie beim Rapport verteilen lassen. Es kamen zehn Zigaretten auf den Mann.
Und der Abend begann. Blau und dick stand der Rauch unter dem Wellblechdach der Vierten. In einer Ecke spielten ein Dutzend Legionäre Einundzwanzig, in einer andern wurden uralte Zoten aufgewärmt. So kam es, dass die Mitte des Raumes, dort, wo Schilasky und Baumann lagen, frei war. Die beiden sassen schweigend nebeneinander. Drei dicke Kerzen brannten in der Ecke der Kartenspieler, die Witzeköche hatten eine alte Azetylenlampe aufgetrieben. In der Mitte des Raumes war es dunkel.
Baumann sagte leise: »Mein Meister hat zwanzig Kühe gehabt im Stall, und ich hab' alle zwanzig allein melken müssen. Weisst du, Schilasky, das ist eine Arbeit!« Er bemühtesich, Schriftdeutsch zu sprechen, damit der andere ihn verstünde. Und Schilasky sagte: »Sechs Rosse ich habe pflegen müssen. Zur Tränke reiten. Putzen. War ein grosser Herr, mein Gebieter.« (Es klang wie Gebitter.) »Und am liebsten ich habe geschlafen bei die Rosse. Aber in der Nacht vom neuen Jahr wir haben verbrannt Wacholderbeeren im Stall, um auszutreiben die bösen Geister.«
»Reckholder!« rief Baumann erfreut. Und fügte im Dialekt hinzu, das hätten sie auch getan. Es sei b'sunderbar guet gegen die Hexen.
Da beide nicht rauchten, hatten sie ihre Zigaretten gegen Wein eingetauscht. Eine Zweiliter-Feldflasche stand zwischen ihnen. Sie nahmen von Zeit zu Zeit einen Schluck. Schilasky stand auf. Er zog aus seinem Tornister ein Zweiglein Ginster und zwei dünne, farbige Kerzlein. Die zündete er an und klebte sie auf den Zweig. Aus der Witzecke dröhnte dreckiges Gelächter. Zwei von den Kartenspielern stritten sich.
»Wollen wir nicht hinausgehen?« schlug Baumann vor. Er rieb sich die Stirne. Dort, wo sie der Maulesel getroffen hatte, war eine Vertiefung und die Haut darum dunkelrot. »Ja, wir werden gehen zu die Tiere!« sagte Schilasky. Er kramte noch einmal in seinem Tornister, holte etwas unter seiner Matratze hervor. Und dann verliessen die beiden die Baracke.
Ein kleiner, weisser Mond hing am Himmel und sah aus wie die Blendlaterne eines Einbrechers. Die Sterne glitzerten wie Schneeflocken, die sanft auf die Erde schweben wollen.
Der Park der Maulesel war gerade hinter der Baracke der vierten Sektion. Die beiden hatten nicht weit zu gehen. In fünf Reihen waren die Tiere an schweren Eisenketten angebunden, und manchmal hoben sich die Ketten und klirrten wieder zu Boden, wenn die Tiere die Köpfe senkten. Das Gespann der Araba war am Ende der zweiten Reihe angebunden.
Sehr vorsichtig trug Schilasky den Ginsterzweig mit denbeiden brennenden Kerzlein, und Baumann torkelte hinter ihm her – der Hufschlag hatte seinen Gleichgewichtssinn ein wenig aus der Ordnung gebracht –, wenn er schnell ging, konnte er sich gerade halten, aber sobald er langsam einherschritt, waren ihm seine eigenen Füsse im Wege.
Die drei Tiere der Araba schnauften laut, hoben und senkten die Köpfe, wieherten ganz leise. Der nächtliche Besuch schien ihnen Freude zu machen.
Es war sehr kalt, denn Mitternacht war nahe. Heute wurde kein Lichterlöschen geblasen. Durch die geschlossenen Fenster der Offiziersmesse drang leise Musik. Leutnant Lartigue liess sein Grammophon laufen. Aber die beiden Einsamen lauschten nicht der Musik. Sie hockten auf den gefrorenen Boden und verteilten zuerst das Brot, das sie den Tieren mitgebracht hatten.
»Wacholder habet Ihr verbrannt in der Schweiz?« fragte Schilasky.
»Ja«, antwortete Baumann. Und dann fügte er schwerfällig hinzu: »Reckholder nennen
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