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Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche

Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche

Titel: Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warlam Schalamow
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Saufen in Dawson ? Oder in Magadan? Womit hunderttausend, eine Million Menschen im Winter beschäftigen? Das Klima an der Kolyma ist extrem kontinental, die Fröste im Winter bis zu sechzig Grad, und bei fünfundfünfzig ist ein Arbeitstag.
    Den ganzen Winter achtunddreißig wurde kältehalber freigestellt, und die Häftlinge blieben erst bei einer Temperatur von sechsundfünfzig Grad in der Baracke, sechsundfünfzig Grad Celsius natürlich, nicht Fahrenheit.
    Im Jahr vierzig wurde diese Temperatur auf zweiundfünfzig gesenkt!
    Wie das Land kolonisieren?
    Im Jahr 1936 wurde die Lösung gefunden.
    Das Fördern und Vorbereiten des Bodens, das Sprengen, Hacken und Beladen waren fest miteinander verbunden. Ingenieure errechneten die optimale Bewegung der Schubkarre, die Zeit für den Rückweg, die Zeit für das Beladen der Schubkarre mit Schaufeln, dazu der Hacke und manchmal dem Brecheisen zum Untersuchen des goldhaltigen Felsgesteins.
    Es schob nicht jeder für sich – so machten es nur die Einmann-Goldgräber. Der Staat organisierte die Häftlingsarbeit anders.
    Während der Förderer die Schubkarre schob, mussten seine Kameraden oder sein Kamerad es schaffen, eine neue Schubkarre zu beladen.
    Das war zu berechnen – wie viele Leute muss man zum Beladen, zum Fördern abstellen. Reichen zwei Mann in der Gruppe aus, oder braucht man drei.
    In dieser Goldmine wurde an der Schubkarre immer gewechselt. Ein originelles, ununterbrochen laufendes Fließband.
    Wenn man mit dem Abfahren auf Loren, mit Pferden arbeitete, dann meistens beim »Abraum«, beim Torfabstechen im Sommer.
    Erläutern wir gleich: Torf bedeutet im Gold – das ist eine Sedimentschicht, in der kein Gold vorkommt. Und der Sand ist eine Schicht, die Gold enthält.
    Bei dieser Sommerarbeit mit der Lore, mit dem Pferd ging es um die Abfuhr des Torfs, die Freilegung des Sandes. Den freigelegten Sand beförderten schon andere Brigaden, nicht wir. Aber uns war alles gleich.
    An der Lore wurde auch gewechselt: wir hängten den unbeladenen Karren beim Pferdetreiber ab und hängten einen beladenen, schon vorbereiteten an. Das Kolyma-Fließband lief.
    Die Goldsaison ist kurz. Von der zweiten Maihälfte bis Mitte September – drei Monate bloß.
    Darum hatte man, um den Plan herauszuschlagen, alle technischen und supertechnischen Rezepte durchdacht.
    Das Grubenfließband ist das Minimum, obwohl uns gerade die Wechselschubkarre die Kräfte nahm, den Rest gab, uns zu
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machte.
    Es gab keinerlei Apparaturen, außer einem Seilband auf der Kreiswinde. Das Grubenfließband ist Bersins Beitrag. Kaum dass klar war, dass jede Grube um jeden Preis und in beliebiger Menge Arbeitskräfte bekommt – der Schifffahrtsbetrieb des Dalstroj wird auch hundert Dampfer pro Tag herbringen –, hörte man auf, die Menschen zu schonen. Und fing an, den Plan buchstäblich herauszuschlagen. Mit voller Billigung, mit Verständnis und Unterstützung von oben, aus Moskau.
    Aber geht es um das Gold? Dass es Gold gibt an der Kolyma, weiß man seit dreihundert Jahren. Zu Beginn der Tätigkeit von Dalstroj an der Kolyma gab es viele Organisationen – die kraftlos, rechtlos waren und fürchteten, im Verhältnis zu ihren angeworbenen Arbeitern irgendeine Grenze zu überschreiten. An der Kolyma gab es auch Kontore von »Buntmetallgold« und Kulturstützpunkte – sie alle arbeiteten mit Freien, in Wladiwostok Angeworbenen.
    Bersin brachte die Häftlinge.
    Bersin suchte nicht nach Wegen, sondern baute eine Straße, die Kolyma-Chaussee, durch Sümpfe und Berge – vom Meer her …

Die Schubkarre II
    Die Schubkarre ist das Symbol der Epoche, das Emblem der Epoche – die Häftlingsschubkarre.
    Die Maschine des OSO –
    zwei Griffe, ein Rad.
    Das OSO ist ein Sonderkollegium beim Minister, dem Volkskommissar der OGPU, mit dessen Unterschrift ohne Gerichtsverhandlung Millionen Leute losgeschickt wurden, um im Hohen Norden ihren Tod zu finden. In jede Akte, einen ganz neuen, dünnen Pappdeckel, wurden zwei Dokumente eingelegt – ein Auszug aus der Anordnung der OSO, und dazu Sonderanweisungen: dass der Häftling Soundso nur zu schwerer körperlicher Arbeit eingesetzt werden soll und Soundso keine Möglichkeit haben darf, Posttelegraphverbindungen zu nutzen – ohne Recht auf Briefwechsel. Und dass die Lagerleitung das Verhalten des Häftlings Soundso mindestens ein Mal in sechs Monaten nach Moskau melden muss. An die lokale Verwaltung sollte so ein Rapport-Memorandum einmal pro Monat geschickt

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