Es begann in einer Winternacht
würde, aber sie sind so furchtbar …“
„Holla!“, kam Daisys Ausruf von der anderen Seite des Zimmers. Sie blickten beide hoch und sahen sie an einem der Bücherregale aus Mahagoni zerren. „Als ich mich an das Bücherregal gelehnt habe, habe ich eine Art Klicken gehört, und dann ist das ganze Ding nach außen geschwungen.“
„Es ist eine Geheimtür“, erklärte Evie. „Es gibt mehrere verborgene Türen und Gänge im Club, um Dinge zu verstecken, falls es zu einer Polizeirazzia kommt oder falls man schnell wegmuss …“
„Wo führt sie hin?“
Evie fürchtete, weitere Erklärungen würden die abenteuerlustige Daisy nur ermutigen, genauere Erkundungen durchzuführen, und murmelte daher vage: „Oh, nirgendwohin, wo du hin willst. Zu einem Abstellraum, denke ich.
Du schließt sie besser wieder, Liebes.“
„Hmm.“
Während Daisy weiter das Bücherregal untersuchte, führten Evie und Annabelle ihre geflüsterte Unterhaltung weiter. „Die Wahrheit ist“, sagte Evie, „dass L-Lord St. Vincent eingewilligt hat, meinetwegen einige Zeit keusch zu leben. Und wenn es ihm gelingt, werden er und ich unsere ehelichen Beziehungen wieder aufnehmen.“
„Er hat was?“, flüsterte Annabelle. Ihre schönen blauen Augen weiteten sich. „Großer Gott, ich glaube nicht, dass St. Vincent und das Wort ‚keusch‘ je zuvor in einem Satz gebraucht worden sind. Wie um alles in der Welt ist es dir gelungen, dass er so einer Sache zugestimmt hat?“
„Er hat gesagt … er hat durchblicken lassen … dass er mich genug begehrt, um es zu versuchen.“
Annabelle schüttelte mit einem seltsamen, verwirrten Lächeln den Kopf. „Das hört sich nicht nach ihm an.
Überhaupt nicht. Er wird natürlich betrügen.“
„Ja. Aber ich glaube, dass seine Absichten ehrlich sind.“
„St. Vincent ist niemals ehrlich“, meinte Annabelle trocken.
Evie konnte nicht anders, als sich an die verzweifelte Dringlichkeit von St. Vincents Umarmung in genau diesem Raum hier zu erinnern. Die Art, wie der Atem in seiner Kehle gestockt hatte. Die verzehrende Zärtlichkeit seines Mundes auf ihrer Haut. Und die wilde Leidenschaft in seiner Stimme, als er murmelte: Ich will dich mehr, als ich je irgendetwas auf dieser Erde gewollt habe …
Wie konnte sie Annabelle irgendetwas davon erklären? Wie konnten einfache Worte ihr Gefühl, er meine es ernst, rechtfertigen? Es war lächerlich zu denken, dass sie, die unbeholfene Evie Jenner, plötzlich das höchste Ziel und der innigste Wunsch eines Mannes wie Sebastian sein sollte, der die freie Wahl zwischen den schönsten und gebildetsten Frauen Englands hatte.
Und doch war Sebastian nicht mehr derselbe Mann, der so arrogant auf Westcliffs Landgut in Hampshire umherstolziert war. Etwas in ihm hatte sich verändert und änderte sich noch. War der Auslöser seine missglückte Entführung Lillians gewesen? Oder hatte es später begonnen, während der aufreibenden Reise nach Gretna Green? Vielleicht lag es auch am Club. Ab dem Moment, wo er den Fuß in Jenner’s gesetzt hatte, hatte er sich seltsam verhalten. Er suchte nach etwas, einem namenlosen Ding, das er nicht einmal selbst benennen konnte …
„Oh, nein“, sagte Annabelle mit sinkender Stimme, als sie über Evies Schulter blickte.
„Was ist?“ Evie drehte sich um, um Annabelles Blick zu folgen.
Annabelle musste keine weiteren Erklärungen abgeben. Der Raum war leer bis auf sie beide. Eines der Bücherregale befand sich nicht mehr in einer Reihe mit den anderen. Daisy hatte, im Grunde nicht überraschend, dem Drängen ihrer unstillbaren Neugier nachgegeben und war durch die Geheimtür verschwunden.
„Wo führt sie hin?“, fragte Annabelle mit einem Seufzen und stellte widerwillig ihren halb ausgetrunkenen Tee beiseite.
„Das kommt darauf an, in welche Richtung sie gegangen ist“, erwiderte Evie mit einem Stirnrunzeln. „Es ist wie ein Labyrinth – ein Korridor teilt sich in zwei Richtungen, und es gibt eine Geheimtreppe, die zum ersten Stock führt. Gott sei Dank ist der Club noch nicht geöffnet – so kann sie nicht in die all erschlimmsten Schwierigkeiten geraten.“
„Vergiss nicht, es handelt sich um Daisy Bowman“, sagte Annabelle trocken. „Wenn es auch nur die geringste Chance gibt, in irgendwelche Schwierigkeiten zu geraten, wird sie es tun.“
Daisy schlich den dunklen Korridor entlang und fühlte dieselbe Aufregung, die sie als Kind immer verspürt hatte, wenn sie mit Lillian in ihrer Stadtvilla
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