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Es begann in einer Winternacht

Es begann in einer Winternacht

Titel: Es begann in einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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auf der Fifth Avenue Piraten gespielt hatten. Nachdem ihr täglicher Unterricht beendet war, waren sie hinaus in den Garten gelaufen, ein paar Kobolde mit langen Zöpfen und zerrissenen Kleidchen, und hatten mit ihren Reifen gespielt oder Löcher in die Blumenbeete gegraben. Eines Tages hatten sie es sich in den Kopf gesetzt, sich eine geheime Piratenhöhle zu bauen, und sie hatten den ganzen restlichen Sommer damit verbracht, in der Hecke, die die Villa vorne und an den Seiten umgab, einen Tunnel zu bauen. Sie hatten gewissenhaft geschnitten und gestutzt, bis sie einen langen Gang geschaffen hatten, durch den sie wie ein Paar Mäuschen hin- und hergelaufen waren. Natürlich hatten sie geheime Treffen in ihrer „Piratenhöhle“
    abgehalten und eine Truhe mit Schätzen in einem Loch, das sie neben dem Haus gegraben hatten, versteckt. Als ihre Missetaten von dem erbosten Gärtner entdeckt worden waren, der angesichts der Entweihimg seiner Hecke entsetzt gewesen war, waren Daisy und Lillian für Wochen bestraft worden.
    Bei dem Gedanken an ihre geliebte ältere Schwester lächelte Daisy wehmütig und fühlte, wie sie eine Welle der Einsamkeit erfasste. Sie und Lillian waren stets zusammen gewesen, hatten sich gestritten, gelacht und sich gegenseitig in Schwierigkeiten gebracht und sich, wenn immer möglich, auch gegenseitig wieder daraus gerettet.
    Natürlich war sie glücklich, dass Lillian in dem willensstarken Lord Westcliff ihren perfekten Partner gefunden hatte … aber das hinderte sie nicht daran, sie schrecklich zu vermissen. Und nun, da die anderen Mauerblümchen, inklusive Evie, Ehemänner gefunden hatten, waren sie Teil der geheimnisvollen Welt der Verheirateten, aus der Daisy noch ausgeschlossen war. Sie musste bald auch einen Ehemann finden. Einen netten, ehrlichen Gentleman, der ihre Liebe zu Büchern teilen würde. Ein Mann, der eine Brille trug und Hunde und Kinder mochte.
    Vorsichtig erfühlte sie ihren Weg durch den Korridor und stolperte beinahe ein paar Stufen hinunter, die plötzlich vor ihr aufgetaucht waren. Ein schwacher Lichtschein am Ende zog sie weiter. Als sie sich dem Licht näherte, sah sie, dass es den kleinen rechteckigen Umriss einer Tür ummalte. Daisy fragte sich, was wohl auf der anderen Seite der Tür sein mochte und blieb einen Augenblick stehen. Sie hörte ein seltsames, sich wiederholendes Klopfen. Eine Pause, dann mehr Klopfen.
    Ihre Neugierde siegte. Sie legte ihre Hände an die Tür, stieß entschlossen dagegen und fühlte, wie sie nachgab.
    Licht fiel in den Korridor, als sie in einen Raum trat, der einige leere Tische und Stühle und eine Anrichte mit zwei riesigen silbernen Urnen enthielt. Sie spähte um die Tür herum und fand die Quelle des Klopfens. Ein Mann reparierte ein Stück beschädigte Leiste an der Wand. Er hockte auf der Erde und versenkte gekonnt mit wenigen Schlägen Nägel in die dünne Holzleiste. Als er sah, dass sich die Tür öffnete, kam er mit einer geschmeidigen Bewegung auf die Füße. Sein Griff auf dem Hammer veränderte sich, so als wollte er ihn als Waffe benutzen.
    Es war der Zigeuner, der junge Mann mit den Augen eines hungrigen Panthers. Er hatte seinen Gehrock und seine Weste ausgezogen … seine Halsbinde abgelegt… sodass sein Oberkörper nur von einem dünnen weißen Hemd bedeckt wurde, das lose in den Bund seiner eng anliegenden Hose gesteckt war. Sein Anblick rief bei Daisy dieselbe Reaktion hervor, die sie schon oben gefühlt hatte – ein schnelles Stechen in der Brust, gefolgt von dem harten Schlag ihres Herzens. Gelähmt von der Erkenntnis, dass sie allein mit ihm im Zimmer war, betrachtete Daisy ihn mit weit offenen Augen, während er langsam zu ihr hinüberkam.
    Sie hatte noch kein anderes lebendes Wesen gesehen, das mit solch exotischer dunkler Schönheit ausgestattet war …
    Haut von der Farbe reinen Kleehonigs, grün-braune, von dichten schwarzen Wimpern umrandete Augen, volles nachtschwarzes Haar, das ihm in die Stirn fiel.
    „Was machen Sie hier?“, fragte Rohan, der erst stehen blieb, als er schon so nahe vor ihr war, dass sie einen unbewussten Schritt zurück machte. Ihre Schulterblätter stießen an die Wand. Daisy kannte zwar nicht viele Männer, aber bisher hatte sich keiner davon ihr je mit solcher Direktheit genähert. Ganz offensichtlich verstand er nichts von guten Manieren.
    „Erkunden“, sagte sie atemlos.
    „Hat Ihnen jemand den Gang gezeigt?“
    Daisy zuckte zusammen, weil Rohan die Hände rechts und

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