Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord
war einfach unmöglich, es sei denn, er wäre geisteskrank. Le Nermord ist also freigelassen worden. Sie hat es am Abend im Radio gehört. Le Nermord stand nicht mehr unter Tatverdacht - jetzt konnte sich alles ändern. Ihr idealer Plan brach zusammen. Noch hatte sie Zeit abzuhauen. Das hat sie getan.«
Niedergeschmettert saß Mathilde da, ihr Blick ging vom einen zum anderen. Adamsberg ließ ihr Zeit, ihre Fassung wiederzufinden. Er wußte, daß das eine Zeitlang dauern konnte und sie sich wehren würde.
»Aber nein«, sagte Mathilde, »dazu hätte sie nie die physische Kraft gehabt! Sie erinnern sich doch, was für ein schmales Hemd sie ist?«
»Es gibt tausend Möglichkeiten, dieses Hindernis zu überwinden«, erklärte Danglard. »Man kann die Verletzte auf dem Bürgersteig spielen, warten, daß ein Passant sich über einen beugt, und ihn dann niederschlagen. Alle Opfer sind zunächst niedergeschlagen worden, erinnern Sie sich, Mathilde.«
»Ja, ich erinnere mich«, sagte Mathilde und strich zwanzigmal ihr schwarzes Haar zurück, das ihr in glatten Strähnen in die Stirn fiel. »Und wie hat sie es mit dem Arzt angestellt?«
»Ganz einfach. Sie hat ihn an den gewünschten Ort bestellt.«
»Warum ist er gekommen?«
»Na! Eine Jugendfreundin, die Sie anruft, die Sie braucht! Da vergißt man alles und eilt hin.«
»Natürlich«, sagte Mathilde. »Sie werden wohl recht haben.«
»War sie in den Mordnächten zu Hause? Können Sie sich daran erinnern?«
»Um die Wahrheit zu sagen, sie verschwand fast jeden Abend - zu Verabredungen, wie sie sagte, so wie auch neulich abend. Sie hat mir ein verdammtes Theater vorgespielt! Warum sagen Sie nichts, Kommissar?«
»Ich versuche nachzudenken.«
»Und was kommt dabei raus?«
»Nichts. Aber das bin ich gewöhnt.«
Mathilde und Danglard warfen sich einen Blick zu. Etwas betrübt. Aber Danglard war nicht in der Laune, Adamsberg zu kritisieren. Sicher, Clémence war verschwunden. Aber trotzdem, Adamsberg war dahintergekommen und hatte ihn nach Marcilly geschickt.
Adamsberg stand ohne weitere Ankündigung auf, machte eine so nutzlose wie unbekümmerte Geste, dankte Mathilde für den Kaffee und bat Danglard, das Labor in die Wohnung von Clémence Valmont zu beordern.
»Ich will ein paar Schritte gehen«, fügte er hinzu, um etwas zu sagen, um ihnen eine Erklärung zu geben, um sie nicht zu kränken.
Danglard und Mathilde saßen noch lange beisammen. Sie konnten nicht mehr aufhören, von Clémence zu reden und zu begreifen zu versuchen, was geschehen war. Der Verlobte abgehauen, die zerstörerische Verkettung der Kontaktanzeigen, die Neurose, die spitzen Zähne, die dreckigen Ausdrücke, die Zweideutigkeiten. Von Zeit zu Zeit ging Danglard hoch, um zu sehen, wie weit die Typen vom Labor waren, kam wieder runter und sagte: »Sie sind im Bad.« Mathilde schenkte Kaffee nach, den sie mit lauwarmem Wasser verlängert hatte. Danglard fühlte sich wohl. Er wäre gerne sein ganzes Leben lang hier geblieben, die Ellbogen auf dem Tisch, in dem die Fische unter dem Licht von Königin Mathildes braunem Gesicht herumschwammen.
Sie redete von Adamsberg, sie fragte, wie er wohl dahintergekommen sei.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung«, sagte Danglard. »Dabei habe ich ihn ja machen sehen - oder manchmal gar nichts machen sehen. Manchmal unbekümmert und oberflächlich, als ob er nie in seinem Leben Bulle gewesen wäre, manchmal mit verzerrten, hartem Gesicht und so beschäftigt, daß er nichts mehr um sich herum gehört hat. Aber womit beschäftigt? Eine gute Frage.«
»Er scheint unzufrieden«, sagte Mathilde.
»Das stimmt. Weil Clémence abgehauen ist.«
»Nein, Danglard. Adamsberg plagt etwas anderes.«
Leclerc, ein Typ vom Labor, betrat das Zimmer.
»Es ist wegen der Abdrücke, Inspektor. Es gibt keinen einzigen. Sie hat alles abgewischt, oder sie muß die ganze Zeit Handschuhe getragen haben. Hab so was noch nie gesehen. Aber es gibt was im Bad. Ich habe einen Tropfen getrocknetes Blut an der Wand hinter dem Abflußrohr vom Waschbecken gefunden.«
Danglard folgte ihm rasch nach oben.
»Sie muß irgend etwas gewaschen haben«, sagte er, während er sich erhob. »Vielleicht die Handschuhe, bevor sie sie weggeworfen hat. In Delphines Umgebung haben wir sie nicht gefunden. Lassen Sie das so schnell wie möglich analysieren, Leclerc. Wenn das Blut von Madame Le Nermord ist, ist Clémence erledigt.«
Die Analyse bestätigte es einige Stunden später: Das Blut
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