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Es geschah in einer Regennacht

Es geschah in einer Regennacht

Titel: Es geschah in einer Regennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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nahmen ihre Bikes, die sie
schon am Freitag bei der trutzigen Villa geparkt hatten, und radelten zur
Innenstadt.
    Gaby wartete am Fischbrunnen.
Sie hatte sich ein blaues Tuch schalartig ins Haar gebunden. Oskar hatte sie
nicht mitgebracht. Voraussichtlich war für heute zu viel Action angesagt, und
es hätte Gabys Vierbeiner nicht unbedingt Spaß gemacht, von einem Schauplatz
zum nächsten zu hetzen.
    Tim küsste seine Freundin, als
wären sie seit Weihnachten getrennt gewesen.
    »Du siehst hinreißend aus,
Pfote. Wer dich sieht, kriegt gute Laune.«
    »Sag das dem alten Griesgram,
der mich beim Einbiegen in die Welbertstraße fast gerammt hätte — mit seinem
vergammelten Hollandrad. Ich war im Recht. Aber er hat geschimpft auf das
freche, junge Gemüse.«
    »Ich hoffe, du hast ihm den
Finger gezeigt.«
    »Den nicht. Aber die Zunge.
Hast du den Abholbon mit?«
    »Logo. Wir haben auch schon auf
dem Stadtplan nachgesehen, wo das ist: Am Kottenbach 1. Gar nicht weit von
hier. Und ›Wandas Textilpflege‹ hat bestimmt auch am Samstag geöffnet.«
    Die Chemische Reinigung mit den
Leuchtbuchstaben Wandas Textilpflege über dem Eingang befand sich in einem
grauen, schmucklosen Gebäude, gleich am Anfang einer breiten Sackgasse, die
spitzwinklig von einer noch breiteren, viel befahrenen Straße wegführte.
Straßenseitig herrschte bei einer Großtankstelle höllischer Betrieb. Die
Tankstelle verfügte Richtung Kottenbach über einen Parkplatz, auf dem
Gebrauchtwagen feilgeboten wurden. Allerdings interessierte sich zurzeit
niemand für die verstaubten Vehikel. Hinter jeder Windschutzscheibe lehnte ein
großes Preisschild, aber sicherlich war immer noch Spielraum zum Feilschen.
    Auch vor ›Wandas Textilpflege‹
war ein kleiner Parkplatz. Dort warteten Gaby, Karl und Klößchen, während Tim
die Reinigung betrat, mit argloser Miene und genügend Geld im Portmonee. Es gab
zwei Kassen, aber nur eine Kassiererin — eine ältliche Frau, der ihr Job
sichtlich keinen Spaß machte.
    Tim grüßte und legte den Bon
vor. »Soll ich abholen.«
    Sie nickte und schlurfte in den
Hintergrund, wo hinter einem Durchgang offenbar endlose Kleiderstangen mit
automatischer Rundlaufvorrichtung waren, voll gehängt mit gereinigten Klamotten
in durchsichtigen Plastiksäcken.
    Die Kassiererin kam nach dem
Abschreiten einer Rundlaufkurve mit zwei Säcken zurück. Darin steckten
Herrenjacken. Tim schätzte sie auf Größe XL.
    »Zwei Sakkos, junger Mann?«
    Tim nickte und dachte: Das eine
ist ein dunkelblauer Blazer, zweireihig. Die andere Klamotte ein sandfarbenes
Sakko.
    »Fünfzehn Euro zwanzig«,
verlangte die Kassiererin.
    Tim bezahlte, wünschte ein
schönes Wochenende, schulterte die Beute und ging zurück zu seinen Freunden.
    »Hm!«,meinte Karl mit
skeptischem Blick. »Ob uns das weiterhilft?«
    »Der blaue Kaftan könnte mir
passen«, sagte Klößchen.
    »In der Breite bestimmt«,
nickte Gaby. »In der Länge ist es ein Mantel für dich.«
    Klößchen zuckte die Schultern
und biss in eine der mitgebrachten Semmeln.
    »Was haben wir erwartet?«,
sagte Tim. »Bei so einer Reinigung wird, wie jeder Hamster weiß, nichts
namentlich vermerkt. Und eine Jacke ist nun mal keine Anschrift mit Adresse.
Allenfalls Stammkunden kennt man hier mit Namen. Aber ich versuch’s mal mit
Trick 17.«
    Tim hatte die Jacken über sein
Bike gehängt, das an einem Müllcontainer lehnte, machte kehrt und ging in die
Reinigung zurück.
    Die Kassiererin blickte von
ihrer Zeitung auf. Tim lächelte gewinnend.
    »Ich habe ein Problem«, erklärte
er. »Den Abholzettel hat mir mein neuer Englischlehrer gegeben. Der ist
wahnsinnig nett, aber erst seit Montag in unserer Schule. Wir nennen ihn Lord,
weil er so auftritt. Aber ich gestehe, ich weiß seinen wirklichen Namen nicht.
Natürlich hat er sich der Klasse vorgestellt, aber er näselt ein bisschen, wie
sich das gehört für einen Lord. Und jetzt zum Henker, weiß ich nicht, wohin ich
die Jacken bringen soll. Entsinnen Sie sich zufällig an seinen Namen?«
    Die Frau verdrehte die Augen.
»Du meine Güte, junger Mann. Ich arbeite hier nur an zwei Tagen in der Woche.
Ich kenne nicht ‘nen einzigen Kunden. Doch! Eine Kundin kenn ich. Die ist
nämlich zufällig meine Frisöse. Ich glaube, auch meine Kolleginnen hier —
einige arbeiten nur einen Tag pro Woche — könnten dir nicht weiterhelfen.
›Wandas Textilpflege‹ funktioniert total anonym.«
    »Trotzdem besten Dank!«, nickte
Tim. »Dann kriegt eben der Lord

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