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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Haffner zufrieden, »jetzt steht die alte Schlabberschnauze endlich still, was?« Er nahm einen neuen Stocher und beschäftigte sich ein bißchen mit seinen Zähnen.
    Verflucht, was mache ich bloß, überlegte Thomas. Ein Gedanke kam ihm. Kein sehr guter. Aber es kam kein besserer. »Darf ich mal telefonieren?«
    Haffner kniff die Schweinsaugen schmal: »Wen wollen Sie denn sprechen?« Jetzt nichts wie ran, dachte Thomas, es bleibt nur noch die Flucht nach vorn.
    »Den Baron von Wiedel.«
    »Nie gehört.«
    Thomas brüllte plötzlich los: »Seine Exzellenz Bodo Baron von Wiedel, Gesandter zur besonderen Verwendung im Auswärtigen Amt! Noch nie gehört von dem Herrn, was?«
    »Ich – ich …«
    »Nehmen Sie gefälligst den Zahnstocher aus dem Mund, wenn Sie mit mir reden!«
    »Was – was wollen Sie denn von dem Herrn Baron?« stotterte Haffner. Seine Durchschnittskost waren verschüchterte Bürger. Mit Häftlingen, die brüllten und Bonzen kannten, fand er sich noch nicht zurecht.
    Thomas tobte weiter: »Der Baron ist mein bester Freund!«
    Thomas war dem viel älteren Wiedel 1929 in einer nichtschlagenden Studentenverbindung begegnet. Wiedel hatte Thomas in aristokratische Zirkel eingeführt. Thomas hatte die Wechsel gedeckt, die der Baron zuweilen platzen ließ. So waren sie einander menschlich nähergekommen bis zu dem Tag, an dem Wiedel in die Partei eintrat. Da hatte sich Thomas nach einem gewaltigen Krach von ihm gelöst.
    Ob Wiedel ein gutes Gedächtnis hat? überlegte unser Freund nun, während er weiterschrie: »Wenn Sie mir nicht
augenblicklich
eine Verbindung herstellen, können Sie sich morgen einen anderen Posten suchen!«
    Das Telefonfräulein hatte es auszubaden. Kommissar Haffner riß plötzlich den Hörer ans Ohr und brüllte seinerseits: » AA Berlin! Aber ein bißchen dalli, Sie Trampel!«
    Phantastisch, absolut phantastisch, dachte Thomas, als er gleich darauf die Stimme seines ehemaligen Bundesbruders vernahm: »Hier von Wiedel …«
    »Bodo, hier spricht Lieven! Thomas Lieven, vielleicht erinnerst du dich noch an mich.«
    Brüllendes Gelächter klang an sein Ohr: »Thomas! Mensch! Das ist ja eine Überraschung! Damals hast du mir eine weltanschauliche Standpauke gehalten, und heute bist du selber bei der Gestapo!« Vor der Größe dieses Mißverständnisses mußte Thomas die Augen schließen. Die Stimme des Barons lärmte lustig weiter: »Komisch, Ribbentrop oder Schacht sagte mir neulich erst, du hättest eine Bank in England!«
    »Habe ich auch. Bodo, hör mal …«
    »Ah, Außendienst, verstehe! Tarnung, wie? Ich lache mir ja ’nen Ast! Haste also eingesehen, wie recht ich hatte, damals?«
    »Bodo –«
    »Wie weit haste es denn schon gebracht? Muß ich Kommissar sagen?«
    »Bodo …«
    »Kriminalrat?«
    »Himmel, hör doch mal zu! Ich arbeite nicht bei der Gestapo! Ich bin von ihr
verhaftet
worden!«
    Danach blieb es eine Weile still in Berlin.
    Haffner schmatzte zufrieden, klemmte den zweiten Hörer mit der Schulter ans Ohr und setzte die Säuberung seines linken Daumennagels fort.
    »Bodo! Hast du mich nicht verstanden?«
    »Doch, doch, leider. Was – was wirft man dir denn vor?«
    Thomas sagte, was man ihm vorwarf.
    »Tja, mein Alter, das ist aber bös. Ich kann mich da unmöglich einmischen. Wir leben in einem Rechtsstaat. Wenn du wirklich unschuldig bist, wird sich das herausstellen. Alles Gute. Heil Hitler!«
    »Ihr bester Freund, was?« grunzte Haffner.
    3
    Sie nahmen ihm Hosenträger, Krawatte, Schuhsenkel, die Brieftasche und seine geliebte Repetieruhr fort und sperrten ihn in eine Einzelzelle. Hier verbrachte Thomas den Rest des Tages und die Nacht. Fieberhaft arbeiteten seine Gedanken. Es mußte einen Ausweg geben, mußte, mußte. Aber er fand ihn nicht …
    Am Morgen des 27. Mai holten sie Thomas Lieven wieder zum Verhör. Als er in Haffners Zimmer kam, sah er, daß neben dem Kommissar ein Major der Wehrmacht stand, ein blasser, sorgenvoller Mensch.
    Haffner wirkte verärgert. Er schien eine Auseinandersetzung hinter sich zu haben.
    »Das ist der Mann, Herr Major. Befehlsgemäß lasse ich Sie mit ihm allein«, sagte der Gestapo-Mann und verschwand.
    Der Offizier schüttelte Thomas die Hand: »Major Loos vom Wehrbezirkskommando Köln. Baron von Wiedel hat mich angerufen. Ich soll mich um Sie kümmern.«
    »Kümmern?«
    »Na, Sie sind doch völlig unschuldig. Ihr Partner hat Sie reingelegt, das ist mir klar.«
    Aufatmend sagte Thomas: »Ich freue mich, daß Sie zu

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