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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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den »Marché noir« zu bekämpfen. Durch gegenseitiges Überbieten der deutschen Aufkäufer waren die Preise nämlich mittlerweile ins Astronomische geklettert. Auf dem Umweg über fünf oder sechs Agenten stieg der Preis für eine ordinäre Drehbank, die normalerweise 40 000 Franc kostete, auf eine Million!
    Also richtete der SD eine »Schwarzmarkt-Bekämpfungsstelle« in der Rue des Saussaies ein, im Gebäude der »Sûreté«. Leiter der Stelle war ein SS -Untersturmbannführer. Referenten des SD aus allen Teilen Frankreichs wurden zur Schulung nach Paris geholt.
    Allein – der SD hatte kein Glück mit seiner neuen Stelle. Die »Schwarzmarkt-Bekämpfungsreferenten«, einmal ausgebildet, kamen nämlich bald darauf, daß man sich an diesem »Marché noir« gesundstoßen konnte! Sie arbeiteten mit den Franzosen zusammen. Es gab die wüstesten Schiebungen.
    50 000 Pullover wurden zum Beispiel nicht einmal, sondern – an einem einzigen Tag – viermal verkauft. Dann wurden drei der Aufkäufer abgeknallt. Der vierte war ohnehin mit von der Partie der Gauner. So konnte man die Pullover anderntags wieder anbieten. Das Geld für dreimal 50 000 Pullover hatte man im Kasten …
    Menschen verschwanden. Lokomotiven verschwanden. Hunderttausende Kilogramm feinstes Zigarettenpapier verschwanden. Immer toller wurde das Treiben, das der SD mit seiner korrupten »Bekämpfungsstelle« ausgelöst hatte. Agenten verhafteten sich gegenseitig, legten sich gegenseitig um. Gestapo-Beamte traten als Franzosen auf, Franzosen als Gestapo-Beamte …
    Dies alles erzählte Oberst Werthe dem staunend lauschenden Thomas Lieven. Abschließend sagte er:
    »Wäre das was für Sie, Lieven?«
    »Ich glaube, gerade das Richtige, Herr Oberst.«
    »Nicht zu gefährlich?«
    »Ach, wissen Sie, ich habe auf diesem Gebiet eine ganz ordentliche Ausbildung genossen, als ich in Marseille lebte«, sagte Thomas Lieven. »Außerdem bringe ich alle Voraussetzungen mit. Ich habe hier noch eine Villa am Square du Bois de Boulogne. Ich bin hier noch, aus der Zeit vor dem Krieg, an einer kleinen Bank beteiligt. Ich könnte außerordentlich vertrauenerweckend wirken.«
    Sagte er. Und dachte: … und endlich wieder ein Privatleben haben. Und mich endlich ein wenig absondern, ein wenig entfernen von euch Lieben. Wer weiß, vielleicht schaffe ich es doch noch in die Schweiz …
    10
    Seine Bank fand Thomas Lieven wieder wie der Mann aus dem Märchen, der nach langem, verzaubertem Schlaf in sein Dorf zurückkehrt und feststellt, daß sieben Jahre vergangen sind. Im Falle von Thomas Lieven waren nur drei Jahre vergangen; der Seniorchef der Bank und die meisten älteren Angestellten waren noch da. Von den jüngeren fehlten viele.
    Als Erklärung für sein langes Verschwinden gab Thomas den einleuchtenden Umstand an, daß er von den Deutschen aus politischen Gründen eingesperrt und endlich wieder freigelassen worden sei.
    Sodann forschte Thomas nach seinem betrügerischen englischen Partner Robert E. Marlock. Doch niemandem war das geringste über diesen Schuft bekannt.
    Thomas fuhr hinaus gegen den Bois de Boulogne. Er wurde richtig wehmütig angesichts der kleinen Villa, in der er so viele schöne Stunden mit der süßen Mimi Chambert verbracht hatte.
    Mimi Chambert – Oberst Siméon … Ob sie in Paris waren? Jetzt wollte er sie suchen … Ach, und Josephine Baker und Oberst Débras … Von weit, weit draußen im großen Sandmeer der Zeit lächelten sie ihm zu: Bastian und »Pferdefuß« aus Marseille … Pereira, der geniale Fälscher, Lazarus Alcoba, der tote bucklige Freund, die hysterische Konsulin Estrella Rodrigues aus Lissabon … Am weitesten, unerreichbar weit entfernt, lächelte traurig die Frau, nach der Thomas sich immer noch sehnte …
    Er schrak aus seinen Träumen auf. Er fuhr sich mit der Hand über die feuchten Augen und ging in den kleinen Garten der Villa, die er drei Jahre zuvor, in einem Cadillac mit amerikanischer Fahne auf dem Dach, fluchtartig verlassen hatte.
     
    Ein junges, hübsches Stubenmädchen öffnete ihm. Er bat, den Herrn des Hauses sprechen zu dürfen. Das Mädchen führte ihn in den Salon. »Der Herr Stabszahlmeister wird gleich kommen.«
    Thomas sah sich um. Seine Möbel waren das noch, seine Teppiche, seine Bilder. Ach Gott, verwohnt, verwahrlost, aber sein eigen … Dann kam der Herr Stabszahlmeister: selbstbewußt, vollgefressen, wichtigtuerisch. »Höpfner mein Name. Heil Hitler! Wie kann ich Ihnen

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