Es muß nicht immer Kaviar sein
mich bei Ihnen so – hm, so kalt und aggressiv betrug …«
»Aber ich bitte Sie!«
»Nein, nein, nein! Bei einer so delikaten Schweinekeule noch dazu … Ich möchte das gern gutmachen.« Nanu? dachte Thomas. »Würden Sie meiner Frau und mir die Freude bereiten, heute abend bei uns zu speisen?«
Donnerwetter! dachte Thomas.
Mild ironisch meinte der Bankier: »Ich nehme an, daß Sie als Abwehragent genau wissen, wo ich wohne, oder?«
Kleine Scherze dieser Art brachten Thomas schon lange nicht mehr aus dem Gleichgewicht. Er erwiderte hurtig: »Aber gewiß, Monsieur. Sie wohnen in der Avenue Malakoff Nummer 24, ganz in meiner Nähe. Sie haben eine sehr schöne Frau. Vorname Marie-Louise. Mädchenname Kléber. Sie besitzt den wertvollsten Schmuck von Paris. Sie haben einen chinesischen Diener namens Shen-Tai, eine Köchin Thérèse, ein Mädchen Suzette und zwei Bulldoggen, Cicero und Caesar.«
Er hörte Ferroud lachen. »Sagen wir um acht?«
»Um acht, Monsieur.« Thomas hängte ein.
Ehe er noch über diese seltsame Einladung nachdenken konnte, klopfte es. Atemlos stürzte das bildhübsche Dienstmädchen Nanette herein. Nanette sprach deutsch. Sie sprach immer deutsch, wenn sie besonders aufgeregt war: »Monsieur … Monsieur … Die Radio melden gerade, daß man ’at befreit die Mussolini … Die Duce ist schon unterwegs nach Berlin – zu ’itleer, damit er kann weiterkämpfen mit ihm …«
»Benito wird sehr glücklich sein«, sagte Thomas.
Nanette lachte. Sie kam nahe heran, ganz nahe. »Oh, Monsieur … Sie sind so nett … Ich bin so glücklich, ’ier sein zu dürfen …«
»Nanette, denken Sie an Ihren Pierre!«
Sie zog eine Schnute. »Ach, Pierre – ist so langweilig …«
»Er ist ein sehr netter Junge«, sagte Thomas pädagogisch und stand auf, weil sie allzu nahe an ihn herangetreten war. »Marsch, in die Küche, Nanette!« Er gab ihr einen Klaps. Sie lachte, als würde sie gekitzelt. Dann zog sie enttäuscht ab.
Er grübelte: Was will der Bankier von mir?
13
Die Villa in der Avenue Malakoff erwies sich als ein unendlich kultiviertes Haus, angefüllt mit europäischen und fernöstlichen Kostbarkeiten. Ferroud mußte Millionär sein!
Der kleine chinesische Diener empfing den Besucher zwar mit dem ewigen Lächeln seiner Rasse, aber in Haltung und Stimme hochmütig und kühl. Kühl und hochmütig war auch das Stubenmädchen, dem Thomas einen Cellophankarton mit drei rosafarbenen Orchideen für die Hausfrau überreichte.
Und hochmütig und kühl schließlich war der Hausherr. Er ließ Thomas eine hübsche Weile – sieben Minuten, wie dieser an Hand seiner geliebten goldenen Repetieruhr stirnrunzelnd feststellte – in einem Salon warten. Dann kam er, elegant wie immer, reichte Thomas die Hand und begann Martinis zu mixen. »Meine Frau wird sofort erscheinen.«
Komisch, dachte Thomas, komisch. Er sah sich den Buddha an, die Schränkchen mit den Einlegearbeiten, die schweren, vielarmigen Leuchter, die Teppiche. Dieser Jean-Paul Ferroud ist unabhängig. Er kann auf mich pfeifen. Aber warum lädt er mich ein, wenn er auf mich pfeifen kann? Und wenn er mich schon einlädt, warum benimmt er sich dann so, daß mir langsam die Wut hochkommt?
Der weißhaarige Privatbankier ließ plötzlich zwei kleine Eiswürfel fallen. Er stand vor einer mit phantastisch bemalten Spiegeln verzierten Bar und füllte einen silbernen Shaker. Er räusperte sich und lachte verlegen: »Handzittern. Man wird alt. Der Suff!«
Plötzlich kam Thomas eine Erkenntnis: Dieser Mann war überhaupt nicht hochmütig, dieser Mann war nervös, fürchterlich nervös! Und auch der Chinese, das Mädchen … Er hatte sie alle falsch beurteilt. Nervös waren auch sie; in angstvoller Erwartung – wovor?
Die Dame des Hauses erschien. Marie-Louise Ferroud war groß, schlank und von makelloser Schönheit. Blau und langbewimpert waren die Augen, wundervoll frisiert war ihr blondes Haar. Sie trug ein schulterfreies schwarzes Kleid und an den Armen und am Halse ihren herrlichen Schmuck. Dagegen, dachte Thomas unwillkürlich, kommt die Sore, die wir dem Juwelier Pissoladière in Marseille rausholten, natürlich nicht auf. – Junge, Junge, ganz hübsch verkommen bin ich schon!
»Madame …« Er verneigte sich tief, küßte ihre Hand und stellte fest: Diese schlanke, weiße, fein duftende Hand zitterte.
Er richtete sich auf, sah in die kühlen blauen Augen und entdeckte auch in ihnen Panik, mühsame Beherrschung.
Weitere Kostenlose Bücher