Es muß nicht immer Kaviar sein
der Sache?«
»Seit man dem Major seinen Paß weggenommen hat, darf er Madrid nicht verlassen. Die drei Deutschen wissen, wer er ist, sie können es nur noch nicht beweisen. Sie wollen rauskriegen, was er in Madrid macht. Außerdem: Sobald er die Stadt verläßt, ist das ein Grund für die spanische Polizei, ihn sofort einzusperren. Wenn er einmal in einem Gefängnis landet, kann man ihn ohne großes Aufsehen nach Deutschland entführen.«
»Er muß die drei also abschütteln?«
»Ja, aber wie? Die warten doch nur wie die Schießhunde auf den Moment, in dem er zu flüchten versucht, um ihn hochgehen zu lassen!«
Thomas Lieven betrachtete den Kleinen neugierig: »Sagen Sie mal, Tamiro, was haben Sie eigentlich für einen Beruf?«
Der kleine Dicke seufzte, dann verzog er den Mund. »Mädchen für alles, was verboten ist. Menschenschmuggel. Waffenschmuggel. Schleichhandel. Alles für Geld. Ich war mal Juwelier in Madrid.«
»Na und?«
»Der Bürgerkrieg hat mich erledigt. Geschäft zerbombt. Ware geklaut. Dann habe ich auch noch politischen Ärger bekommen. Nein, nein, ich habe übergenug. Bei mir hat jetzt alles seinen festen Preis! Mir soll man den Buckel runterrutschen mit Idealismus.«
Leise fragte Thomas Lieven: »Kennen Sie in Madrid wohl noch ein paar Herren, die so denken wie Sie?«
»Einen ganzen Haufen!«
»Und Sie sagen, es hat alles seinen festen Preis?«
»Klar!«
Lächelnd sah Thomas zu dem flimmernden Leuchtschriftband auf. Sanft murmelte er: »Hören Sie mal, Luis, was würde – unter Freunden – wohl eine kleine, spontane Volkserhebung kosten?«
»Woran denken Sie?«
Thomas Lieven sagte ihm, woran er dachte.
10
»Aaaaaahhhhh!!!«
Mit einem Schrei fuhr die schwarzhaarige, vollschlanke Konsulin Estrella Rodrigues aus dem Schlaf empor, als Thomas Lieven zu später Stunde ihr Zimmer betrat. Bebend entzündete sie die kleinen Lämpchen mit den roten Schirmen hinter dem Bett. Eine Hand preßte sie ans Herz.
»O Gott, Jean, hast du mich erschreckt!«
»Verzeih, Liebling, es wurde spät – ich habe noch den Mann mit dem Paß auf den Weg gebracht …« Er sank auf den Bettrand; sie warf sich in seine Arme. »Küß mich …« Sie preßte sich an ihn. »Daß du da bist! Daß du endlich da bist! Ich habe auf dich gewartet – stundenlang – ich habe gedacht, ich muß sterben – ich habe gedacht, ich muß vergehen …«
»Vor Sehnsucht nach mir?« fragte er geschmeichelt.
»Das auch.«
»Bitte?«
»Ich habe den ganzen Abend gehofft, du kommst und schenkst mir noch ein wenig Geld, damit ich nach Estoril fahren kann!«
»Hr-rm!«
»Ich habe draußen angerufen! An allen Tischen kamen die Elf und ihre Nachbarn! Kannst du dir das vorstellen? Das sind doch meine Zahlen! Ein Vermögen hätte ich heute gewonnen!«
»Estrella, ich werde dich morgen mit einem ganz ausgezeichneten Fälscher zusammenbringen. Ihm kannst du deine Pässe in Kommission geben. Er ist bereit, mit dir halbe-halbe zu machen.«
»O Jean, wie wundervoll.« Thomas ging ins Badezimmer. Sie rief ihm zärtlich nach: »Weißt du, was ich vorhin geträumt habe?«
Aus dem Badezimmer forschte er: »Was?«
»Ich habe geträumt, du wärst ein Deutscher – und mein Geliebter! Ein Deutscher! Wo ich doch die Deutschen so hasse! Ich habe gedacht, ich vergehe; ich habe gedacht, ich sterbe … Jean, kannst du mich verstehen?«
»Jedes Wort.«
»Warum sagst du dann nichts?«
Sie hörte ihn husten. »Ich habe vor Schreck ein halbes Glas Mundwasser geschluckt!«
Das amüsierte sie: »Ach, bist du goldig! Komm! Komm schnell zu deiner zärtlichen Estrella …«
Später erwachte die hinreißend gebaute Deutschenhasserin davon, daß Thomas Lieven im Schlaf schallend lachte. Sie schüttelte ihn nervös wach.
»Jean, Jean, was ist los?«
»Wie? Oh, ich hatte so einen komischen Traum.«
»Wovon?«
»Von einer kleinen, spontanen Volkserhebung«, sagte er. Und lachte noch einmal.
11
Madrid, 5. September 1940.
Vertraulicher Bericht des Kommissars Filippo Aliados von der Geheimen Staatspolizei an seinen Vorgesetzten:
ÄUSSERST DRINGEND !
Heute um 14 Uhr 03 erhielt ich einen Anruf vom Diensthabenden des 14. Polizeirayons. Es wurde mir mitgeteilt, daß sich vor dem Gebäude der britischen Botschaft in der Calle Fernando el Santo 16 etwa fünfzig Personen versammelt hätten, die gegen England demonstrierten.
Ich begab mich mit fünf Mann sofort zur Botschaft und stellte fest, daß es sich bei den Demonstranten um
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