Es muß nicht immer Kaviar sein
dabei laut: »Für die 5000 Dollar kann BABY RUTH ruhig eine Pulle Whisky springen lassen!«
»Welches Baby, bitte? Was für 5000 Dollar?«
Der Bebrillte lachte: »Kaufmann Jonas, es ist Ihnen doch klar, daß Sie in mir einen Mann vom ›Secret Service‹ vor sich haben?«
»Das ist mir klar, ja.«
»Nennen Sie mich Roger. So heiße ich natürlich nicht. Aber ein falscher Name ist so gut wie der andere – habe ich recht?«
Lieber Gott im Himmel, es geht schon wieder los! dachte Thomas Lieven. Aufpassen, ich muß jetzt aufpassen. Den Deutschen bin ich entkommen. Jetzt muß ich nur noch die Engländer loswerden. Ich muß Zeit gewinnen. Überlegen. Vorsichtig sein.
Er sagte: »Sie haben vollkommen recht, Mr. Roger. Ich wiederhole meine Frage: Was für 5000 Dollar? Welches › BABY RUTH ‹?«
»Kaufmann Jonas, als wir – und unter ›wir‹ verstehe ich uns Boys von der britischen Abwehr in Lissabon – den hysterischen Funkverkehr der Deutschen konstatierten, da verständigten wir sofort M 15 in London …«
»Wer ist M 15?«
»Der Chef unserer Gegenspionage.«
»Aha«, sagte Thomas. Er trank einen Schluck und dachte: ein europäischer Kindergarten. Ein mörderischer europäischer Kindergarten. Ach, lieber Gott, werde ich froh sein, wenn ich diesen lächerlich lebensgefährlichen Kontinent hinter mir gelassen habe.
»Und M 15 funkte: Feuer frei!«
»Ich verstehe.«
»Wir reagierten blitzschnell …«
»Na klar.«
»… diesen Kaufmann Jonas sollten die Nazis nicht bekommen! Hahaha! Nehmen Sie noch einen Whisky auf Baby Ruths Wohl!«
»Wollen Sie mir nicht endlich sagen, wer Baby Ruth ist?«
»Mrs. Ruth Woodhouse, 65 Jahre alt. Dreivierteltaub. Hat zwei Schlaganfälle und fünf Ehegatten überlebt.«
»Kompliment.«
»Kein Begriff für Sie: Woodhouse-Stahl? Woodhouse-Panzer? Woodhouse-Maschinengewehre? Eine der ältesten amerikanischen Rüstungsdynastien! Nie gehört?«
»Ich fürchte, nein.«
»Arge Bildungslücke, muß ich schon sagen.«
»Sie haben sie geschlossen. Danke.«
»Gern geschehen. Also, dieser Dame gehört die Jacht. Sie hält sich zur Zeit in Lissabon auf. Als wir die Sache mit dem U-Boot herausbekommen hatten, redeten wir mit ihr. Sie stellte uns sofort ihr Schiff zur Verfügung, für 5000 Dollar.« Der Mann, der sich Roger nannte, ging wieder zur Bar. »Es lief alles wie am Schnürchen, Kaufmann Jonas! Ruck, zuck!«
Das habe ich heute abend schon einmal gehört, dachte Thomas Lieven und sagte höflich: »Britische Organisation.«
Roger brach in die Alkoholbestände der amerikanischen Rüstungsmillionärin ein wie ein reißender Wolf in eine Schafherde. Dabei amüsierte er sich: »Wir verfolgten jeden Ihrer Schritte, Kaufmann Jonas. Sie wurden dauernd überwacht! Ich lag hier auf der Lauer, im Planquadrat 135 Z. Ich erhielt den Funkspruch, daß die Deutschen Sie beim Flughafen überfallen und entführt hatten. Ich erhielt den Funkspruch, daß der Fischkutter klarmachte. Hahaha!«
»Und was geschieht jetzt?«
»Ruck, zuck! Wie am Schnürchen geht das alles. Wir werden natürlich gegen den portugiesischen Steuermann Anzeige erstatten. Wegen grober Fahrlässigkeit. Er ist zweifellos an dem Unfall schuld! Wir haben bereits eine entsprechende Meldung gefunkt. Es wird bald ein Patrouillenboot hier aufkreuzen, das den Steuermann und Ihre beiden deutschen Freunde übernimmt.«
»Was geschieht mit ihnen?«
»Nichts. Sie haben schon erklärt, daß sie nur eine kleine Rundfahrt machen wollten.«
»Und was geschieht mit mir?«
»Ich habe Auftrag, Sie, gegebenenfalls unter Einsatz meines Lebens, sicher in die Villa des britischen Nachrichtenchefs in Portugal zu bringen. Oder wollen Sie lieber mit Ihren deutschen Freunden gehen?«
»Keinesfalls, Mr. Roger, keinesfalls«, sagte Thomas Lieven und lächelte verzerrt, indessen er überlegte: Ist das noch Meerwasser auf meiner Stirn – oder schon wieder Angstschweiß?
18
Die Deutschen hatten Thomas Lieven mit einer uralten Limousine aus Lissabon entführt, die Briten brachten ihn in einem neuen Rolls-Royce nach Lissabon zurück.
Noblesse oblige.
Er saß im Fond, in einen blauseidenen Morgenrock mit aufgestickten goldenen Drachen gehüllt, dazu passende Pantoffeln an den Füßen. Mehr an Garderobe hatte sich an Bord der BABY RUTH nicht auftreiben lassen. Thomas Lievens nasser Anzug und seine Wäsche lagen vorne beim Chauffeur.
Neben Thomas saß Roger, eine Maschinenpistole auf den Knien. Er sprach durch die Zähne: »Keine
Weitere Kostenlose Bücher