Es wird Dich rufen (German Edition)
Wichtigkeit. Er ist der Mittler, der beide Seiten voneinander trennt und doch ein Teil von beiden ist. Wo immer zwei Gegensätze miteinander verschmelzen, wächst eine natürliche Grenze, die automatisch zu einem Teil des Ganzen wird. Original, Spiegel, Spiegelbild. Das ist der heilige Dreiklang!«
»Und der Gral?«, hakte Mike ungeduldig nach.
»Nun, der Gral ist ein Teil dieses Dreiklangs. Mit seiner Hilfe ist es möglich, eine Welt zu sehen, die normalerweise verborgen bleibt. Wenn Sie so wollen: Der Gral ist das Spiegelbild unseres Seins, das Spiegelbild unserer Zeit, der Dreiklang des Seins. Er ist ein uraltes Symbol der Unendlichkeit der Dimensionen. Der Schlüssel zu einer verborgenen Welt.«
Mike kratzte sich verwirrt am Kopf.
Jeans Worte klangen nach einer Mischung aus höherer Physik und Philosophie. Er hatte große Mühe, dem alten Mann zu folgen. Vielleicht, weil Jean mit dieser Antwort eine raffinierte Möglichkeit fand, Mike alles und doch nichts zu sagen.
»Tut mir leid, Jean, aber das bekomme ich so spät nicht mehr auf die Reihe.«
»Das müssen Sie auch nicht. Schlafen Sie darüber. Und das meine ich wörtlich. Der Schlaf ist ein enger Freund des Menschen, auch wenn die meisten ihn ständig ignorieren. Dabei ist es der einzige Moment unseres Lebens, in dem wir uns bewusst von unserem Körper lösen und in eine geistige Welt eintauchen.«
»Sie meinen, wenn ich träume?«
»Jeder Traum ist nichts anderes, als der Versuch des Unterbewusstseins, mit dem Menschen zu kommunizieren. Nur hören ihm wenige zu. Dabei hätte er so viel zu sagen …«
38
»Das ist Ihr Plan?«
Christopher Boone und der General standen sich, über einen runden Tisch gebeugt, gegenüber und blickten auf die Papiere mit Notizen, die sich der General zurechtgelegt hatte.
Die ganze Nacht hindurch hatte er sich den Kopf darüber zerbrochen, wie es ihnen gelingen könnte, den Wächter auszuschalten, um Dornbach aus dem Weg räumen und gleichzeitig den Weg zur Quelle der Macht erschließen zu können.
Nach stundenlangem Überdenken verschiedener Strategien war ihm schlagartig klar geworden, wie sein Plan funktionieren und wie sich Boone – auf dessen Hilfe er zwangsläufig setzen musste – einbringen konnte, ohne das kosmische Gesetz zu verletzen. Der Wächter wäre ihnen hoffnungslos ausgeliefert, sollte der Plan gelingen. Und der General hätte mit ihm einen großen Trumpf in der Hand!
Im Wissen um die jüngsten Entwicklungen war er zunehmend mit der Frage beschäftigt, weshalb er sich eigentlich noch die Mühe machen sollte, irgendwelchen Dokumenten hinterherzujagen, wenn doch der amtierende Wächter identifiziert war und er nun die Möglichkeit hatte, diesen höchstpersönlich in seine Fänge zu bekommen? Er würde ihn ganz einfach zum Reden bringen – egal wie. Der General kannte diesbezüglich einige interessante Methoden, die er nur zu gern bei dem alten Mann ausprobieren wollte, sollte es nötig sein.
»Wir müssen den richtigen Zeitpunkt abpassen«, sagte der General. Trotz allem mussten sie sich beeilen. Die Zeit wurde knapp. Die Suche nach dem Gral war zu einer Art Wettrennen geworden, dessen Ausgang darüber entschied, in wessen Händen die Zukunft liegen würde.
»Wann werden wir zuschlagen?«, erkundigte sich Boone.
»Noch heute!«
»Wo genau?«
»Ich habe da eine Idee. Bereiten Sie Ihre Männer auf alles Nötige vor!«
39
Frisch ausgeruht saß Mike alleine am Frühstückstisch und bestrich ein Croissant mit Butter. Jean war zwar schon seit einiger Zeit wach, hatte ihm durch Caroline aber ausrichten lassen, dass er mit seinem Hund noch einen ausgedehnten Morgenspaziergang unternahm.
Mike verschlang gerade einen Bissen seines Croissants, als sich eine Frau zu ihm gesellte, die einen langen roten Rock und eine weiße Bluse trug. Ihren Hals, der bereits dezente Falten aufwies, schmückte ein unübersehbar teures Collier, das zweifellos den Wert eines Mittelklassewagens hatte. Bei der Unbekannten schien es sich um eine deutsche Touristin zu handeln.
»Guten Morgen, junger Mann«, grüßte sie Mike freundlich mit verrauchter Stimme. »Gestatten Sie, dass ich mich zu Ihnen setze?«
Angesichts der zahlreichen freien Tische verstand Mike zwar nicht, weshalb sie ihn das fragte, aber es wäre unhöflich gewesen, ihre Bitte abzulehnen. Ohnehin war er mit seinem Frühstück fast fertig.
»Bitte«, sagte er, woraufhin sie sich ihm gegenüber setzte.
»Ich bin Frau Mayser«, stellte sie sich vor, »Karin
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